Nokia und die Subventionitis

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will Antworten: Sie erwarte vom finnischen Handy-Konzern Nokia mehr Informationen zur geplanten Schließung des Bochumer Werks.

Quelle: SPON

Es geht vor allem um die Subventionen, die Nokia für sein Werk in Bochum erhalten hat.

Ich hätte nun auch gerne Antworten:
Warum werden solche Subventionen immer wieder gewährt?

Da können die Konzerne schön einzelne Gemeinden, Bundesländer oder ganze Staaten gegeneinander ausspielen. Dann lassen sie sich dort nieder, wo es die höchsten Subventionen gibt, bleiben ein paar Jahre und dann geht das von vorne los.

Diese Subventionitis ist doch fast schon umgedrehte Korruption. Der Staat besticht einzelne Unternehmen, damit sie an einen bestimmten Standort gehen. Viel sinnvoller wäre es doch, dieses Geld direkt in den Standort zu pumpen, zum Beispiel für besser ausgebildete Menschen vor Ort. Die würden ein viele Unternehmen auch viel eher dauerhaft binden.

Dieser Beitrag hat 16 Kommentare

  1. Igor

    Ich bin für einen Nokia Boykott.
    Ich denke nur das dies bei Nokia einkalkuliert ist wenn der Boykott nur einige Monate andauert.
    Ein Boykott hat nur Sinn wenn er solange andauert bis es zu neuen Quartalszahlen kommt,
    also bis zum Weihnachtsgeschäft. Die Aktionäre müssen es spüren, dann tut sich etwas.
    Es funktioniert nur durch Nachhaltigkeit.
    Wer erinnert sich noch an Mannesmann und Vodafon? Oder an den Stellenabbau der Deutschen Bank?
    Ohne nachhaltigen Boykott hat es keinen Zweck.

    Igor

  2. Henning G.

    Admin: Hab deinem Namen mal „G.“ hinzugefügt, damit es keine Verwechslungen mit mir gibt. Hoffe, das ist in Ordnung, sonst schlag bitte was anderes vor.

    Ähnliches hab ich auch gedacht. Ich hab manchmal das Gefühl, dass Politiker sich mit Prestige-Arbeitgebern aus angesagten Branchen – in diesem Fall Mobilfunk – schmücken. Dabei denken sie aber nicht darüber nach, ob die mit Subventionen angeschobenen Geschäfte sich überhaupt nachhaltig, und dass heißt eben ohne Subventionen für das Unternehmen lohnen. Die Subventionen dienen dazu, dass die Politiker ihre Arbeitslosenstatistik schönen und mit HighTech Unternehmen in ihrer Region werben können.

    Dabei wird vergessen, dass oft nur minderqualifizierte Arbeitsplätze geschaffen werden. Vielleicht wären die Subventionen besser in Qualifizierungsmaßnahmen für die Arbeitnehmer und Unterstützung lokaler/regionaler Mittelständler eingesetzt, denn grade letztere sind oft deutlich standortreuer, haben es aber wesentlich schwerer, bei Politikern Gehör zu finden als Weltkonzerne wie Nokia.

    Nokia jetzt vorzuwerfen, kaltschnäutzigen Subventionsbetrug begangen zu haben, ist in meinen Augen eine – wenn auch verständliche – Überreaktion. Auch Nokia muss wirtschaftlich handeln und deshalb auch Entscheidungen fällen, die weh tun.

    Interessant wäre es doch mal, langfristig den Erfolg von Subventionsmaßnahmen zu betrachten und dabei zu verfolgen, welche Politiker wie erfolgreich mit Subventionen auch nachhaltige Wirtschaftsförderung betreiben.

  3. Jan

    Wer ist denn jetzt der Böse? Nokia, die dahin gehen wo sie am meisten Fördergelder einstreichen? Völlig legal? Die Rumänen, die „unser“ Eu-Geld nutzen um Firmen anzuziehen? Die BRD, die vorher das gleiche tat um Nokia aus Finnland nach Bochum zu locken? Finnland, das nciht genug getan hat, um die Firma selbst zu halten? Die EU, die solche Subventionen ermöglicht? Der Markt, der das Nokia schlussendlich sogar gebietet, um sich gegen wachsende (Apple) und schwächelnde (Motorola) Konkurrenz zu behaupten?

    Ich gebe Henning recht: Deutschland sollte deutlich mehr Geld in Bildung (und zwar von der frühkindlichen Bildung bis zur Spitzenforschung) stecken, sollte das Schienennetz ausbauen, die Lohnnebenkosten senken, ein gerechtes und transparentes Steuersystem aufbauen. Und so Investitionen mit ganz anderen Mitteln anziehen. Und sich endlich für strenge EU-Regeln zu Mindeststeuern, Mindestumwelststandards, Mindestlöhnen und Mindestarbeitsstandards einsetzen. Ohne wenn und aber, und ohne Ausnahmen für irgendwelche auch so wichtigen Automobil- oder Was-weiß-ich-Konzerne.

  4. Martin Hiegl

    Ich bin gegen Subventionen und verstehe aber die Aufregung hierbei nicht. Nokia hat alle Auflagen erfüllt und etliche Millionen Steuern gezahlt und den Mitarbeitern jahrelang Arbeit gegeben – in meinen Augen haben sie ihre Seite des Deals eingehalten.
    In Rumänien wurde kein EU-Geld für die Nokia-Subventionen aufgewendet. Und dort werden sie jetzt 3500 Menschen arbeit geben und ihre Steuergelder zahlen. Ist doch alles in Ordnung. Warum sind wir hier derart bigott?

  5. niels | zeineku.de

    Igor: „Ich bin für einen Nokia Boykott.“

    Und was ist mit Siemens-BenQ, die ihre deutsche Handysparte an die Wand fuhren und Motorola, die jegliche erwähnenswerte Produktion in Deutschland schlossen?

    Oder anders: Welche Handys made in Germany schlägst Du denn als Boykott-Ersatz vor?

  6. kewil

    Ihr grünen subventioniert doch schon seit langem alle alternativen Energien! Also spielt euch doch nicht auf, ihr Scheinheiligen! Ohne Grüne ginge es der deutschen Wirtschaft besser!

  7. oppossum

    Denke das Nokia das Recht hat den Standort selbst zu wählen. Denke die Sorgen der Politik sind zwar berechtigt doch wissen wir alle das die Produktion im Ausland deutlich billiger ist als in Deutschland!

  8. Henning G.

    @kewil

    grade die Subventionen in alternative Energien ist in meinen Augen ein Beispiel für intelligente Subventionen. Sogar die FAZ, der man nicht grade eine Nähe zu den Grünen nachsagen kann, schreibt:
    „Daneben entpuppt sich erneuerbare Energie zusehends als Jobmotor. Zahlreiche Kleinbetriebe, Ingenieurbüros und einige Global Player treiben die Wind-, Sonnen- und Biomassetechnologien mit Macht voran. Ein spannendes Feld für junge Akademiker verschiedenster Disziplinen.“
    Quelle: http://tinyurl.com/3xmrjc

    Windkraft und Photovoltaik sind nur zwei Beispiele von Technologien, wo unzählige neue mittelständische Unternehmen entstanden sind, die inzwischen gewinnbringend arbeiten und auch in der Fertigung Jobs bieten, nicht nur in Forschung und Entwicklung. In diesen Technologien ist Deutschland weltweit in der Spitze.

    Das die Grünen der deutschen Wirtschaft geschadet hätten, ist Blödsinn. Im Bund waren die Grünen grade mal 7 Jahre in der Regierung, in den Ländern hatten die Grünen nie genug Macht, grundlegend Wirtschaftspolitik zu gestalten.

  9. Martin

    Jetzt regt sich alle Welt über NOKIA auf und in zwei Wochen zieht die Karawane dann zum nächsten Thema weiter.
    Ach ja, und zwischendurch spart man dann noch einige Euro und kauft bei Aldi die Butter und bei Saturn eben ein billiges Handy von einer andren Marke…

  10. GOP

    Ach, das hat doch alles keinen Sinn. Die Konzerne machen was sie wollen. Erst ist es BenQ, dann Nokia und morgen… Jetzt wird wieder über wild geschrieben und geredet und nach einiger Zeit ist alles beim alten. Im Prinzip sind doch auch negative Schlagzeilen „gut“ um im Gespräch zu bleiben. So nützt das alles dem Konzern und der kleine Mann hat immer das Nachsehen…

  11. TiCar

    Hi,

    interessantes Thema. Boycott halte ich persölich für völlig daneben, denn wem will man was Vorwerfen? Wirtschaftlich gesehen ist das doch völlig korrekt und jeder Betrieb der anders handeln würde, wäre vermutlich dumm. Subventionen hin oder her, wenn man Industrie ins Land holen will, um es stärker zu machen, dann gibt es auch andere Mittel ausser Subventionen. Und um Betriebe zu halten gibt es ebenfalls Möglichkeiten. Nicht umsonst kommen viele ausgelagerte Betriebe wieder nach Deutschland zurück, aber wie hier schon gesagt wurde, die Investition muss unten bei der Ausbildung anfangen, um den Standort Deutschland auch langfristig atraktiv zu machen. Nicht umsonst ist der deutsche Dipl.-Ing. wohl der Exportschlager Nr 1 im Ausland 😉

  12. Sedi

    Ich wundere mich nur, dass es keiner gesehen haben will. Ich wundere mich nur, dass keiner bei NOKIA-Deutschland von diesem neuen Werk gewusst haben will. Ich wundere mich nur wie NOKIA die neuen Arbeitskräfte so schnell anlernen will.
    Es ist einfach erstaunlich wie lange Nokia seine Pläne geheim halten konnte und auch hat. Es muss doch Delegationen gegeben haben, Besichtigungen, technische Fragen und Antworten. Ich wundere mich nur, dass dabei keiner dachte: „Moment mal, die schnappen sich doch unsere Jobs.“ Vor allem weil Nokia schon seit Jahren Autoreifen in Rumänien herstellen lässt.

    Ich muss mich einfach wundern.

  13. Henning

    Eigentlich brauch ich gar nicht mehr viel zu sagen. Ihr habt alles Wichtige schon gesagt.

    Auch ich halte einen Boykott für unsinnig und populistisch. Einerseits weil – wie Niels schon schrieb – die Alternative fehlt (man müsste ja quasi Handys generell boykottieren). Und andererseits ist der Populismus ja schon daran erkennbar, dass es Nokia doch kein bisschen schadet, wenn jetzt Leute ihr Nokia-Handy zurückgeben (was ja Struck und Seehofer getan haben). Keine kaufen mag Druck ausüben und erst recht das, was der Telekom-Betriebsrat verlangt: Nämlich, dass T-Mobile keine Nokia-Handys mehr anbietet. Das würde dann Nokia schon ziemlich wehtun.

    Dennoch bleibt es unsinnig, weil man ja nur anderen kapitalistischen Konzernen den Umsatz geben würde. Ich will jetzt keineswegs sagen, dass es toll ist, was Nokia da macht. Aber üblich für Konzerne, da ist wohl keiner oder kaum einer besser. Bei kleinen Unternehmen oder Mittelständlern – insbesondere inhabergeführten – ist das oft anders.

    Kleiner Schwenk zu den Subventionen für Erneuerbare Energien, die oben angesprochen wurden: Henning G. hat dazu schon wichtige Dinge gesagt. Der große Unterschied ist hier: Hier wird eine Branche gefördert, nicht ein einzelnes Unternehmen. Hier wird eine Zukunftstechnologie vorangetrieben, was uns mittel- und langfristig wirtschaftliche Vorteile bringt (weil wir dann nen Vorsprung haben).
    So Subventionen wie bei Nokia, Holzmann oder auch bei der Kohle verlangsamen im Prinzip nur, was sonst eh passieren würde (sie gehen baden, in diesem Fall das Werk Bochum). Die Subventionen bei den Erneuerbaren Energien beschleunigen hingegen eher die Entwicklung und lenken sie vielleicht auch ein bisschen in eine erwünschte Richtung. Abgesehen davon sind die Subventionen von vornherein degressiv – anders als z.B. bei der Kohle.

    So, dafür dass schon alles gesagt wurde, war das jetzt ganz schön lang. *g*

    P.S.: Hier in den Kindergarten gehen, zur Schule und studieren und dann ins Ausland abwandern ist ähnlich wie die Sache mit den Subventionen, oder? Nur finden’s da alle in Ordnung, genau wie Schummeln bei der Steuerklärung bei kleineren bis mittleren Privatleuten auch gesellschaftlich recht gut anerkannt ist.

  14. Igor

    Hier ist jetzt wirklich alles gesagt worden. Kapitalismus funktioniert eben so wie es Nokia jetzt auch tut. Da brauchen wir uns nichts vormachen, es wird wieder passieren. Immer wieder, wenn sich an der Subventionspolitik nichts ändert.
    Trotzdem werde ich meinen Ärger Luft machen und Nokia boykottieren.

    @niels
    Ich kaufe mir gar kein neues Handy derzeit.

    Igor

  15. Matthias

    Naja, man mag sicherlich über die Nokia-Konzernpolitik streiten.
    An dem Bildungsniveau liegts nicht, es sind einfach die Kosten. Ich denke, es gibt kaum soviele gut ausgebildete Fachkräfte wie in Deutschland. Das Problem sind einfach die Lohnkosten, da hilft (bessere) Ausbildung imho nicht viel…

  16. Henning

    @Matthias
    Entscheidend ist das Verhältnis von Kosten und Nutzen für das Unternehmen. Dieses Verhältnis kann durch geringere Kosten oder durch höheren Nutzen verbessert werden.

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