NRW nach dem Ende rot-rot-grüner Gespräche

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Wie bereits allseits bekannt sein dürfte, sind rot-rot-grüne Koalitionsüberlegungen in Nordrhein-Westfalen schon mit dem ersten Gespräch hinfällig geworden. Die SPD will nun mit der CDU über eine große Koalition verhandeln.

Wie zu lesen ist, ist vor allem eine mangelnde Distanzierung der Linkspartei von der DDR die Ursache hierfür. Nicht einmal die bei rot-rot-grünen Koalitionsverhandlungen in Thüringen auf grüne Initiative hin ausgehandelte Erklärung wollte man wohl unterzeichnen.

Da neben den inhaltlichen Knackpunkten im jeweiligen Landtagswahlprogramm bei Bündnissen dieser Art immer auch die Frage des Umgangs mit der DDR-Vergangenheit der Linkspartei bzw. deren Vorgängern PDS und SED stellt, ist das nur konsequent.

Immer wieder wird gerade an uns Grüne die Frage herangetragen, wie wir als Bürgerrechtspartei denn mit einer Partei koalieren können, die die DDR verharmlost. Können wir eben nicht, ist die Antwort. Eine Koalition kann es nur geben, wenn sich die Linkspartei davon deutlich distanziert.

Die Reaktionen auf diese Nachricht sind sehr unterschiedlich. Während die FDP eine „große Erleichterung“ verkündet, wo ich eigentlich gehofft hatte, dass nun möglicherweise Gespräche über eine Ampelkoalition möglich sind, gibt es bei Grünen gebloggte „Wutausbrüche“ und frustrierte Tweets zum Hauptnutznießer dieser Situation, der CDU: „Wer Linke wählt, kann künftig auch gleich CDU wählen. Ergebnis ist dasselbe …“

Ich finde es sehr bedauerlich, dass nach dem Scheitern der rot-rot-grünen Gespräche nun wieder der Automatismus der großen Koalition da ist. Nun könnte man doch zur FDP sagen: „Hör zu, wir haben’s mit der Linkspartei versucht, aber das hat nicht geklappt. Da wir sie momentan nicht als regierungsfähig ansehen, schließen wir weitere Koalitions- oder Sondierungsgespräche mit der Linkspartei bis zur nächsten Wahl aus.“

Dann könnte doch die FDP ohne Gesichtsverlust in entsprechende Gespräche einsteigen. Das heißt nicht, dass das unbedingt zu einem positiven Ergebnis führen würde, aber man könnte es versuchen. Gleichzeitig wäre man aber auch nicht ohne Not auf absurde Vorbedingungen der FDP eingegangen, dass man mit der Linkspartei nicht einmal reden dürfte. Aber die Option ist jetzt ja ohnehin vom Tisch, also kann man das der FDP auch problemlos zusagen.

Sollte es nun aber zu einer großen Koalition kommen – was ich sehr bedauern würde, mir wäre es lieber gewesen, die rot-rot-grünen Gespräche wären positiv verlaufen – wird die Ministerpräsidentenfrage wohl der große Streitpunkt werden. Die SPD wird darauf beharren, dass sie die Ministerpräsidentin stellt, weil sie die Wahlgewinnerin ist. Obwohl die SPD auch verloren hat und sogar leicht hinter der CDU liegt.

Die CDU wird genau darauf verweisen: dass sie nach Wählerstimmen stärkste Kraft geworden sind. Obwohl das schon bei der Fraktionsstärke im Landtag nicht mehr zutrifft, denn die CDU-Fraktion und die SPD-Fraktion sind mit jeweils 67 Sitzen gleich groß.

Außerdem gibt es ohnehin keinen Anspruch darauf, dass die stärkste Partei den Ministerpräsidenten stellt. Das ist zwar meistens so, ist aber keineswegs gesetzlich festgeschrieben und war auch in der Vergangenheit nicht immer so (in Baden-Württemberg gab’s in den 50-er Jahren mal einen FDP-Ministerpräsidenten, obwohl die FDP nur zweitstärkster Partner in der Koalition war, der übrigens auch die SPD angehörte).
Wenn es zur großen Koalition kommt, rechne ich allerdings am ehesten mit Armin Laschet als neuem Ministerpräsidenten. Wenn’s schon einer von der CDU sein muss, dann doch bitte ihn.

Aber vielleicht tritt ja nun auch ein frustierter Linkspartei-Abgeordneter der SPD oder den Grünen bei und es gibt einfach rot-grün. Wäre mir die liebste Lösung. 🙂

Dieser Beitrag hat 13 Kommentare

  1. Julius

    Ich wär ja (ganz ehrlich) für Neuwahlen. Wenn die SPD wirklich einen Politikwechsel will, wie soll das mit der CDU gehen?
    Aber es wird natürlich eine große Koalition geben, die Stammwähler der CDU wählen auch in 5 Jahren CDU und der SPD rennen (zu Recht!?) weiter die Wähler weg. Toll gemacht, ganz toll.
    Die große Koalition war eigentlich schon am Wahlabend klar, die „Sondierungen“ hätte man sich sparen können und von Seiten der SPD wäre man auch besser gefahren, hätte man den schwarzen Peter der CDU zugeschoben (koaliert ihr mal, schließlich seid ihr stärkste Partei) – das hat man m.E. aber nicht gemacht, da die gr. Koalition schon am Wahlabend feststand. Alles andere war nur Nettigkeitsgeplänkel in Richtung grün, schließlich braucht man auch in 5 Jahren und den anderen Bundesländern noch Partner, wenn man jemals wieder was reißen will.

  2. Heiko

    Ich bin ja weiß Gott kein Freund der Linken, aber wie die Damen und Herren da teilweise abgekanzelt werden, ist nicht mehr feierlich. Wieviele Linken-Mitglieder in NRW waren denn in der SED? Hat die NRW-Linke denn überhaupt eine (nennenswerte) DDR-Vergangenheit – so rein praktisch gesehen, wenn man betrachtet, wo NRW liegt…
    Grade die Grünen sollten doch aus der eigenen Vergangenheit wissen, wie das ist, wenn man nur wegen des Namens oder nur wegen der Ansichten einiger ‚hardliner‘ komplett ausgegrenzt wird. Stattdessen wird jetzt zusammen mit den anderen Kindern munter auf dem Außenseiterkind rumgekloppt. Tolle Wurst.
    Was wurde denn in den fünf Stunden Koalitionsverhandlung diskutiert? Vergangenheit oder Zukunft? Was wollen Grüne und SPD denn in NRW gestalten? Vergangenheit oder Zukunft? Haben die angeblichen 80% gleichen Ziele mit der SPD nicht ausgereicht?
    Das regt mich genauso auf wie die ständige „Atom-Schuld“-Frage. Da wird viel länger (öffentlich) diskutiert, wer jetzt an Gorleben schuld ist, als festzulegen, wie wir aus dem Schlamassel wieder rauskommen mit minimalem Schaden für Mensch und Umwelt. Die Schuldigen sind doch längst tot oder steinreich.

    Ich würde mir so sehr mehr zielorientierte Politik wünschen als dieses macht-/kaderorientierte Geschacher, an dem sich die Grünen jetzt wohl auch zu beteiligen versuchen. Dann würde Wählen auch wieder Spaß machen.

  3. Henning

    @Heiko
    Wieviele Linken-Mitglieder in NRW waren denn in der SED? Hat die NRW-Linke denn überhaupt eine (nennenswerte) DDR-Vergangenheit – so rein praktisch gesehen, wenn man betrachtet, wo NRW liegt…

    Dann sollte es aber auch kein Problem sein, die Thüringer Erklärung zu unterzeichnen, oder? Gerade weil ja nicht nur die Vergangenheit wichtig ist, ist ja die heutige Ansicht der Abgeordneten und Vorstandsmitglieder zu ihrem Demokratie- und Staatsverständnis wichtig.

    Insofern kann ich den Ärger darüber, dass nun deshalb wichtige Zukunftsprojekte wie längeres gemeinsames Lernen und eine ökologische Modernisierung warten müssen, zwar gut verstehen, denn darüber ärgere ich mich ja auch, aber als Bürgerrechtspartei kann man sowas eben nicht ignorieren.

  4. filtor

    die übertragung der vokabel „unrechtsstaat“, die bislang – zu recht – für den nationalsozialismus reserviert war, auf die DDR entspricht dem unsäglichen trend zur gleichsetzung der „zwei diktaturen“. das abzulehnen sollte nicht nur sache aller irgendwie linken, sondern auch aller liberalen sein.

    jenseits solcher geschichtspolitischer auseinandersetzungen finde ich es unsäglich, dass die grünen als selbsternannte bürgerrechtspartei allen ernstes den „landesverfassungsschutz“ (in seiner aktuellen, also geheimdienstlich operierenden form) beibehalten wollen – und den linken jetzt sogar vorwerfen, da eine andere position zu haben. da war man bei den grünen schonmal sehr viel weiter in sachen bürgerrechte und demokratie.

  5. shadaik

    Großartig, toll, jetzt legen wir Grüne schon selber mehr Wert auf irgendwelche irrelevanten Distanzierungen von vor 20 Jahren untergegangenen Staaten statt auf Sachfragen. Na vielen Dank an die Chefetage hier in NRW…

  6. chris

    Finde es schade dass rot-rot-grün nicht geklappt hat. Wahrscheinlich wird es noch eine Weile dauern, bis die Linke ihr Schmuddelimage bei den etablierten Parteien losgeworden ist. Ich hoffe nur dass die Grünen in der Opposition (auch auf Bundesebene) wieder grüner und linker werden. Zur Zeit kommt es mir so vor, dass der Erfolg der Grünen vor allem auf Kosten ihrer Ideale erkauft wird. Hab lange keine unpopuläre, aber richtige und mutige Forderung mehr von den Grünen vernommen (wie z.B. das Fliegen und Autofahren teurer zu machen).

  7. Henning

    @chris
    In unserem letzten Wahlprogramm (Bundestagswahl 2009) ist eine Besteuerung von Flugbenzin z.B. enthalten – und auch andere nicht unbedingt immer nur populären Maßnahmen.
    Andererseits ist es natürlich so, dass wir auch gucken müssen, in der Bevölkerung möglichst viele auf dem Weg zu mehr Klimaschutz mitzunehmen, denn sonst kommt da schnell eine Anti-Stimmung auf.

    Und bei der Linken geht es nicht nur um ihr Image, denn sonst hätte sie ja einfach die Thüringer Erklärung unterzeichnen können.

  8. chris

    @Henning: Danke für die Infos! Eine Kerosinsteuer ist auch dringend nötig. Als nächstes sollte die Kfz-Steuer abgelöst werden von der Kilometergebühr (siehe Niederlande). Aber das ist ein anderes Thema 😉

  9. Henning

    Sehr schön – es kommt wieder Bewegung in die Ampel-Idee: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-05/fdp-nrw-ampel

    Bundesjustizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger, Schleswig-Holsteins FDP-Chef Wolfgang Kubicki und Ex-Juli-Vorsitzender und MdB Johannes Vogel sprechen sich dafür aus, Gespräche zu führen.

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