Progressive Sozialversicherung vs. Steuersenkung

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Heute, am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, gibt es wieder unzählige Demos bzw. 1.-Mai-Kundgebungen von Gewerkschaften und ihnen mehr oder weniger nahestehenden Organisationen und Parteien.

Viel ist die Rede vom Mindestlohn, viel interessanter finde ich allerdings das grüne Progressivmodell, das die Sozialversicherungsbeiträge bei niedrigen Einkommen progressiv ansteigen lässt, so dass erst ab 2000 EUR die vollen Sozialversicherungsbeiträge anfallen.

Aus einer Pressemitteilung der Grünen Baden-Württemberg dazu (in dem Absatz zitiert die Landesvorsitzende Silke Krebs):

Um Geringverdiener zu entlasten, schlägt Krebs außerdem vor, die Sozialversicherungsbeiträge sozial zu staffeln: „Für kleine Einkommen sollen die Beitragssätze langsam schrittweise ansteigen, erst ab einem Gehalt von 2.000 Euro fallen dann die vollen Sozialabgaben an. Der Effekt dieses Grünen Progressionsmodells: Menschen mit einem niedrigen Einkommen haben mehr Netto vom Brutto in der Tasche. Gleichzeitig sinken die Lohnkosten für Unternehmen – neue Arbeitsplätze können leichter entstehen.“

Geringverdiener unter 2000 EUR brutto im Monat haben nämlich nicht das Problem, dass sie extrem hohe Steuern zahlen und würden dementsprechend von einer Steuersenkung auch kaum profitieren. Sie haben viel mehr das Problem hoher Sozialabgaben bei denen es nämlich – anders als bei der Steuer – keinen Freibetrag gibt.
Selbst Auszubildende zahlen von ihrem kargen Ausbildungsgehalt bereits die vollen Sozialversicherungsbeiträge (insofern sie über 800 EUR monatlich liegen, denn unter Rot-Grün im Bund wurde ein kleiner Einstieg in das Progressivmodell bereits eingeführt).

Dies einfach mal als Gedankenanregung zum 1. Mai und zur Frage, wem Steuersenkungen eigentlich nutzen würden und wem nicht.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Hubert

    Scheint mir etwas zu kurz gedacht (oder formuliert; allerdings kenn ich den Volltext nicht)… „Sozialversicherungsbeiträge“ sind neben den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auch Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Warum erwähn ich das?

    Naja, bei der Rentenversicherung würde dieses Modell NOCH niedrigere Renten produzieren für die, die eh schon wenig Ansprüche bekommen. Bei der Arbeitslosenversicherung wäre die Frage, ob die gleichen Ansprüche trotz niedrigerer Beiträge aufrecht erhalten werden sollen?

    Und zur Kranken- und Pflegevesicherung: Wer bezahlt denn in diesem Modell die zusätzlichen Mindereinnahmen bei unveränderten Leistungsausgaben (Wenn mal mal nur ein Jahr als Basis zum Vergleich sich anschaut)?

    Und wie werden sich Arbeitgeber in Bereichen mit geringen Löhnen verhalten, wenn der/die Mitarbeiter(in) eine Gehaltserhöhung möchte? Wenn die Lohnnebenkosten dann progressiv wegen zusätzlich steigender Prozentanteile der Sozialversicherung steigen? Oder bezieht sich das Modell nur auf die AN-Beiträge?

    Grundsätzlich bin ich vom gewünschten Effekt auf „Geringverdiener“ aber bei Dir – Steuersenkungen kommen da nur begrenzt an…

  2. Henning

    Du stellst genau die richtigen Fragen. 🙂

    Die Idee dahinter ist ein Steuerzuschuss in die Sozialversicherungen, der diese Mindereinnahmen ausgleicht.

    Ziemlich konkret steht das in einem Antrag im Bundestag der Grünen-Fraktion aus 2006:

    Progressiv-Modell statt Kombilohn

    Der Bundestag wolle beschließen:

    Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

    die Lohnnebenkosten im Bereich gering entlohnter Beschäftigung gezielt zu senken und einen Steuerzuschuss für Sozialversicherungsbeiträge einzuführen:

    ● Danach sollen die Sozialabgabensätze für Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit dem Einkommen ansteigen und der entstehende Differenzbetrag durch zusätzliche Steuermittel finanziert werden, die den Sozialversicherungsträgern zufließen.

    ● Erst ab einem Bruttoeinkommen oberhalb von 2 000 Euro soll die volle Last der Sozialversicherungsabgaben von zusammen rund 42 Prozent (Arbeit- geber- und Arbeitnehmeranteil) anfallen.

    ● Für alle Einkommen bis 2 000 Euro sollen die Beitragssätze langsam und stufenlos ansteigen.

    ● Ziel sind Abgabensätze von 20 Prozent bei einem Bruttoeinkommen von 400 Euro, bei 800 Euro von 25 Prozent, bei 1 200 Euro von 30 Prozent und bei 1 600 Euro von 35 Prozent.

    ● Die bisherigen Mini- und Midi-Job-Regelungen gehen im Progressiv-Modell auf. Bisherige Mini-Jobber sind in Zukunft grundsätzlich Mitglieder in den Sozialversicherungen.

    Quelle: Das grüne Progressiv-Modell (Website der Grünen-Abgeordneten Brigitte Pothmer)

    Im Vergleich zu Steuersenkungen kommt hier das Geld genau bei den Arbeitnehmern an, die es am ehesten brauchen und ist zudem volkswirtschaftlich sinnvoller angelegt, weil die Konsumquote bei niedrigen Einkommen ja auch deutlich höher ist und diese Einkommen eben vor allem durch die Sozialversicherungen belastet werden.

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