Sonntag: Entscheidung übers Grundeinkommen

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Am kommenden Wochenende haben wir baden-württembergischen Grünen in Heilbronn unseren Landesparteitag. Am Sonntag wird es thematisch um die Frage Grundeinkommen/Grundsicherung gehen. Ein paar Anträge liegen dazu vor.

Nun ist ja bekannt, dass ich seit etwa einem Jahr tendenziell ein Grundeinkommens-Befürworter bin. Kritisch zwar und ich will definitiv kein Grundeinkommen um jeden Preis, aber meine innere Richtung ist klar.

Ich hatte damals ja auch hier im Blog meine Gedanken zum Grundeinkommen ausführlich dargelegt. Daran hat sich eigentlich auch nichts Wesentliches geändert. Ich hab’s gerade nochmal gelesen. Leider hatte ich nicht die Zeit, mich dauerhaft regelmäßig in die Projektgruppe einzubringen, die letztenendes die Anträge erarbeitet hat. So hab ich sie erst kürzlich gelesen.

Beim Lesen des Grundeinkommens-Antrags (Grund-3) gefiel mir allerdings einiges nicht, auch wenn ich die grobe Richtung (Sockel-Grundeinkommen plus Wohngeld) teile. Der Grundsicherungs-Antrag (Grund-2) sowieso nicht.

Der Grundeinkommens-Antrag sieht ganz grob gesagt 420 EUR Sockel-Grundeinkommen für Erwachsene und 300 EUR für Kinder vor. Wobei Rentner ausgenommen werden, was ich schon nicht verstehen kann. Grundeinkommen = Grundrente. Wer mehr haben will, sorgt zusätzlich privat vor. Fertig. Hier werden sie aber ausgenommen.

In der Einleitung steht außerdem deftige Hartz-IV-Kritik. Ich fand allerdings die Agenda 2010 richtig. Nicht jedes Detail und gerade was Altersschonvermögen und Anrechnung von Partnereinkommen angeht, hatten wir Grüne schon immer eine andere Meinung. Wir konnten sie nur gegen SPD und CDU (das Ding musste ja durch den Bundesrat) nicht durchsetzen. Aber was soll diese heftige Kritik? Ich finde, man kann durchaus die Agenda 2010 aus dem Jahr 2003 gut finden und dennoch langfristig ein Grundeinkommen befürworten.

Die Auszahlung des Geldes soll als negative Einkommenssteuer erfolgen. Nun wurde mir die Frage gestellt, wann man denn dann nun sein Geld bekommt. Jemand, der bisher einen Job hat, bekommt nach dem Modell kein Grundeinkommen ausgezahlt, sondern es wird mit seiner Einkommensteuer verrechnet. Wenn der nun aber seinen Job verliert, wäre er ja darauf angewiesen, dass ab sofort Geld ausgezahlt wird und nicht erst, wenn er seine Steuererklärung für 2007 macht (was frühestens 2008 und bei vielen auch eher 2009 erst der Fall wäre). Wie soll das – ohne große Bürokratie – funktionieren?

Das Stichwort Bürokratie ist mir sehr wichtig, denn das ist meine Hauptantriebsfeder, überhaupt für ein Grundeinkommen zu sein. Eine Auszahlung als negative Einkommensteuer scheint mir da aber nicht geeignet bzw. ich bin gespannt, ob mir das jemand zufriedenstellend erklären bzw. lösen kann.

Die Finanzierungsfrage ist auch etwas vage. Es ist von einem Energiegeld die Rede, das ich bisher nicht wirklich einschätzen kann. Mich stört aber viel mehr, dass keine Zahlen genannt werden. Wenigstens auf zweistellige Milliarden-Beträge genau würde ich das schon gerne gerechnet sehen. Muss ja nicht im Antrag stehen, aber wenigstens in der Begründung wäre das nett gewesen. Nicht einmal das Kosten-Volumen wird genannt.

Das gilt übrigens genauso für den anderen Grundeinkommensantrag, den der Grünen Jugend. Dort werden 930 EUR für Erwachsene und 465 EUR für Kinder gefordert. Da lässt sich immerhin sehr leicht ausrechnen, dass wir bei 67,5 Mio. Erwachsenen und 15 Mio. Kinder bei 837 Mrd. EUR Kosten liegen. Zur Finanzierung werden ein paar Töpfe angerissen, Zahlen jedoch gemieden.

Und so bin ich derzeit schwer am grübeln, wie ich eigentlich am Sonntag abstimme. Eigentlich wollte ich dem Grundeinkommensantrag aus der Projektgruppe (Grund-3) zustimmen, aber sicher bin ich mir da nicht mehr. Der GJ-Antrag fordert meiner Ansicht nach ein viel zu hohes Grundeinkommen und ist auch bei der Finanzierungsfrage absolut unzureichend, enthält dafür aber weniger Probleme als der andere Antrag (was wohl auch an der Konkretheit liegt, das gebe ich zu).

Einen eigenen Antrag zu schreiben, werde ich wohl nicht mehr schaffen. Dem Grundsicherungsantrag zustimmen, kommt auch nicht in Frage. Blöde Situation.

Dieser Beitrag hat 19 Kommentare

  1. niels | zeineku.de

    Wenn das Grundeinkommen alle bisherigen Sozialleistungen ablösen soll (und wenn es das nicht soll, kann man das Durchrechnen der Finanzierbarkeit gleich lassen), sind 420 EUR auf jeden Fall zu wenig. Ob 920 EUR immer zuviel sind, erscheint fraglich.

    Bedenke: Wer derzeit ALG II-Bezieher ist, hat alleinlebend 347 EUR + Warmmiete einer angemessenen Wohnung.

  2. Marko

    Toller Beitrag, find ich echt gut was Sie da Schreiben.
    Nur leider lebt Ihr Politiker nicht ganz zeitnah finde ich.
    Ich habe das Glück das ich Gottseidank einen Job habe und nicht
    von AL oder Hartz V leben muss.

    Nur Trotz Meisterbrief und 2 erlernten Berufen lebe ich von 1325 € netto
    im Monat, und nach abzug der Fixkosten wie Miete 468 € + 155 € Nachtspeicher Strom sowie 200 € Kraftstoff und ca 450 € Aldi und Norma Lidl usw…

    Können Sie sich vorstellen was mir im monat bleibt und davon soll ich dann noch was für meine Altervorsorge tun ????

    Das Rechenbeispiel sollte mir mal jemand von Euch Politikern vorrechen.

    Kümmert Euch endlich drum das die Leute wieder leben können.
    Besorgt Euch dochmal einen Lohnspiegel aus den neuen deutschen Bundsländern. ( Ich selbst lebe im Rhein Main Gebiet).

    Wie kann es sein das jemand für 7,85 € Brutto leben und Arbeiten kann ???

    Wie weit soll die Armut des Volkes noch gehen und die Chefetage noch mehr verdienen ????

  3. Henning

    @Marko
    Was heißt denn „ihr Politiker“? Ich engagiere mich in meiner Freizeit in der Politik. Ansonsten studiere ich und arbeite nebenher.

    Dabei bemühe ich mich um Verbesserungen. Was tust du?

    @niels
    Die 420 EUR sind plus Wohngeld. Aber die Höhe ist bei dem Antrag ja nicht mein Kritikpunkt.
    930 EUR sind alleine deshalb zu viel, weil ich keine Ahnung habe, wie man die finanzieren soll.

  4. niels | zeineku.de

    Wenn dann doch wieder individuell berechnetes Wohngeld gezahlt wird, ist der ganze Entbürokratisierungscharme aber dahin.

  5. Henning

    Naja, das Wohngeld bräuchtest du ja (meiner Ansicht nach) nur bei denen, die zwei Bedingungen erfüllen: 1. kein weiteres Einkommen außer dem Grundeinkommen; 2. teure Wohngegend

    Wobei 420 EUR wohl zu niedrig sind für Bedingung 2. Mir schwebt eigentlich eher was so ab 500 EUR vor und dann eben Wohngeld für die, die beide Bedingungen erfüllen. Das würde doch relativ wenige betreffen und würde entsprechend nur bei denen und nur in einem einzigen Gebiet Bürokratie bedeuten.
    Darüber haben wir hier auch schon sehr ausführlich diskutiert.

    Der vorliegende Antrag hat (leider) ganz andere Probleme.

  6. niels | zeineku.de

    Ich habe keine genauen Zahlen, vermute aber, dass alleinlebende ALG-II-Bezieher zur Zeit häufig in günstigen Zweizimmerwohnungen leben. Setzen wir deren Warmmiete in nicht teuren Städten westlicher Bundesländer mal mit 450 Euro an, ergibt das zusammen mit dem ALG-II-Regelsatz schon eine monatliche Leistung von € 777.

    Und noch einen etwa bösen Einschub wegen Deiner forschen Überschrift: Allzu großes Kopfzerbrechen brauchen sich die Grünen im Moment über das Grundeinkommen eh nicht machen. 🙂

  7. André

    Hallo Henning,

    wir haben uns ja am Sonntag ausgiebig über das Thema unterhalten. Ich bin mir auch unschlüssig, was ich von dem jetzt vorliegenden Grundeinkommensantrag halten soll. Klar ist mir nur, dass der Antrag zur Grundsicherung völlig indiskutabel für mich ist.

    Die Sache mit der Auszahlung als negative ESt erscheint mir aber eher als ein technisches Problem, nämlich die Frage, wer zahlt die aus: das Finanzamt oder die AA? Da könnte ich mich noch überzeugen lassen.

    Was mir aber nicht passt ist diese modisch gewordene Kritik an der Agenda 2010. Hartz IV war doch von grüner Seite aus immer der erste Schritt hin zu einer umfassenden Reform der sozialen Sicherungssysteme und nur weil die Roten und Schwarzen sich quer gelegt, können wir jetzt nicht das Ganze in Bausch und Bogen verbannen.

    Auch kritisch sehe ich den Ausbau der Arbeitsvermittlung. M.E. hat das System der AA versagt und man könnte die auch abschaffen bzw. zu einer Auszahlungsstelle für Grundeinkommen inkl. Online-Job-Börse machen.

    Na ja, schwere Entscheidung am Sonntag und was mich vielleicht noch viel mehr ärgert ist, dass eine ursprünglich jenseits aller Parteiflügel stattfindende Debatte nun doch in die alten Lagergeschichten zurückzufallen droht.

    Greetingles, André

  8. Till Westermayer

    Hallo, als einer der Antragssteller und Schreiber von Grund-3 finde ich die Debatte sehr spannend. Wenn ich henning richtig verstehe, dann ist es vor allem unser Einstieg mit starker Hartz-IV-Kritik. Für mich (als bekennender Anhänger der linken Strömung) geht das sehr in Ordnung so. Ich will aber nicht, dass der Antrag daran scheitert — gerade, weil ich es eben auch so sehe, dass das keine Lagergeschichte ist.

    Deswegen würde ich es begrüßen, wenn „Ihr“ (wer auch immer) via Änderungsantrag ein Alternativvorschlag dazu macht (nota bene: auch in Grund-1 steht ein bißchen Hartz-IV-Kritik drin), der dann vielleicht sogar übernommen werden könnte. Muss ja nicht gleich ein eigener Antrag sein, aber ein bißchen am bisherigen Antrag rumflicken sollte gehen, oder?

    Die Zahlen haben wir übrigens rausgenommen, weil das einigen zu genau war (und weil wir in sinngemäß letzter Minute aus dem Rechenbeispiel „reine Flattax von 35%“ eine Kombination aus progressiver Einkommenssteuer und Ökosteuer gemacht haben). Es wird aber vermutlich noch eine Art FAQ geben, die wir auf der LDK verteilen werden, in der dann auch ein paar Zahlen stehen. Wenn Dich die Zahlen vorher interessieren, nimm mal mit Thomas Poreski Kontakt auf.

  9. Till Westermayer

    Zu den kleineren Kritikpunkten:

    Rente: denk dir eine Mindestrente in Höhe des Grundeinkommens dazu — systematisch ist das etwas schwierig, deswegen haben wir die ausgeklammert (müsste mit Reform der Renten gekoppelt sein, das wäre bei uns dann erst der zweite Schritt)

    Bürokratie: solange alles „normal“ verläuft, ist die negative Einkommenssteuer extrem elegant und effizient. Ich gebe Dir recht, dass es für den Nichtnormalfall eine Möglichkeit geben muss, eine vorgezogene Steuererklärung abzugeben (die durch die vielen wegfallenden Freibeträge etc. aber vermutlich sehr viel einfacher ist). Die Seite „Bedarfsprüfung/externe Kontrolle“ fällt weg, die verbleibende Bürokratie entspricht dem derzeitigen Finanzamtsumgang. (Plus Wohngeld, das sich aber angesichts der unterschiedlichen Lebensumstände extrem schlecht pauschalieren lässt).

    Nochmal zur Finanzierung: wir gehen davon aus, dass das im Prinzip auch komplett in der Einkommenssteuer machbar wäre; die Energiesteuer ist eher eine nette Ergänzung (sag‘ ich mal so). Größenordnung des Finanzierungsbedarfs (bzw. der Umverteilung im System): hoher zwei- oder unterer dreistelliger Milliardenbereich. Wenn ich nicht völlig falsch liege. Mir persönlich ist allerdings die Finanzierung nicht ganz so wichtig — wichtig ist, dass darstellbar ist, dass ein Sockelgrundeinkommen prinzipiell finanzierbar ist und nicht jenseits aller Haushaltsmöglichkeiten liegt. Insofern ist der Antrag von uns aus meiner Sicht an der Stelle eigentlich schon zu konkret — es ist keine Gesetzsvorlage, sondern der Beitrag einer Partei zur politischen Meinungsbildung.

  10. Simon

    Mich würde auch mal eine genaue Aufstellung der vermutlichen Kosten und der Finanzierung interessieren. Ich finde das ja eine überlegenswerte Idee, aber bisher hab ich noch nie irgendwo konkrete Zahlen gesehen.

    Und für tolle Forderungen ohne Finanzierung ist ja eher die PDS zuständig 🙂

  11. Henning

    @Simon
    Zu den Kosten und der Finanzierung hatte ich hier mal sehr ausführlich gebloggt.

    @TillWe
    Die „vorzogene Steuererklärung“ darf sich dann aber auch nur auf jeweils ein halbes Jahr beziehen (wenn man der Einfachheit halber einfach mal davon ausgeht, dass der betroffene Mensch zum 30.06. seinen Job verliert). Sonst rechnet man und kommt zu dem Ergebnis, dass er auf’s Jahr gesehen ja immer noch nicht bedürftig wäre und was ausgezahlt bekommen sollte.
    So ganz glücklich bin ich damit nicht. Da muss wieder was geprüft werden und womöglich brauchen die da 2-3 Monate zu. So lange steht er ohne da.

    Wenn man davon ausgeht, dass es komplett über die Einkommensteuer machbar wäre, wär’s gut, wenn man dazu sagt, wie hoch die dann sein sollte.

    Die Hartz-IV-Kritik in Grund-1 Grund-2 fand ich auch etwas irritierend. Aber erstens ist sie nicht so deftig und zweitens (viel entscheidender) will ich dem ja eh nicht zustimmen.

    Wegen Änderungsanträgen muss ich mal sehen. Wenn sie nicht übernommen werden, stellt sich aber das Problem, dass zunächst ein Antrag zur Abstimmung steht, den ich eigentlich so nicht möchte (bzw. nur Anträge, die ich so nicht möchte) und er erst später eventuell(!) verbessert würde. Hmm.

    @André
    Wie gesagt: Arbeitsvermittlung halte ich nach wie vor für zentral. Es wäre einfach absurd, wenn wir (der Staat) nicht versucht, Arbeits-Angebot und Arbeits-Nachfrage möglichst passend zusammen zu bringen. Ob die Arbeitsagenturen mit ihrer Arbeitsweise da richtig sind, weiß ich nicht. Aber irgendeine Form der Arbeitsvermittlung halte ich auf jeden Fall für notwendig – unabhängig vom Grundeinkommen.

    Bei der Auszahlung ist nicht so sehr die Frage, wer auszahlt, sondern wann und wie oft geprüft wird, ob ausgezahlt werden soll oder ob mit der Steuerlast verrechnet wird.

    @niels
    Eine Tante von mir wohnt im Ruhrgebiet in einer Zwei-Zimmer-Wohnung mit Gartenanteil für etwa 250 EUR. Da bist du in Stuttgart froh, wenn du für das Geld ein WG-Zimmer kriegst. Als sie das hörte, fiel sie aus allen Wolken.

    Und wegen der Kopfzerbrechen: Wir versuchen halt unsere Beschlüsse so zu fassen, dass wir nicht im Falle einer Regierungsbeteiligung überlegen müssen, wie wir jetzt um die eigenen Beschlüsse drumherumkommen, sondern wie wir sie umsetzen können. 🙂
    Ansonsten ist es übrigens erstmal eh nur die Entscheidung der baden-württembergischen Grünen. Die Bundesebene folgt Ende November. Der Landesverband Berlin hat sich gerade gegen ein Grundeinkommen ausgesprochen, was einigermaßen überraschend war.

  12. André

    Moin Henning!
    Ob der Staat wirklich der richtige Adressat ist, Angebot und Nachfrage auf irgendeinem Markt zusammenzubringen, wage ich zu bezweifeln, und das trotz der Tatsache, dass der Arbeitsmarkt kein Markt wie jeder andere ist. Ob private Vermittler eine Lösung sind, weiß ich nicht, die waren ja auch Teil der Hartz-Reformen und so wahnsinnig viel hat das nicht gebracht. Kannst mich in dem Punkt als Neoliberalen bezeichnen, aber in der heutigen Zeit von Internet und Online-Jobbörsen erscheinen mir die AA einfach als überflüssig.
    Die Frage, wer auszahlt, ist nicht ganz so trivial: eigentlich kommt nur das Finanzamt in Frage, denn die AA zahlen etwas aus, das — zumindest beim ALG 1 — aus Sozialversicherungsbeiträgen stammt. Vielleicht irre ich mich, aber da Beiträge und Steuern verschieden voneinander sind, ist das schon eine Frage. Außerdem muss die auszahlende Stelle alle Deutschen bzw. Aufenthaltsberechtigte erfasst haben und wollen wir alle zu „Kunden“ der AA machen?
    Wie dem auch sei, es bleibt spannend. Was jenseits all dieser Fragen, die wir hier diskutieren, für das Grundeinkommen spricht, ist die Argumentation der Gegner. Da überzeugt mich einfach gar nichts — muss ich hier als Realo-Grüner mal so sagen 😉

  13. Till Westermayer

    Henning — Grund-1 ist nicht der Grundsicherungsantrag, sondern die gemeinsame, von beiden Seiten mitgetragene Einleitung. Da würde es mich wundern, wenn Du gegen die Stimmen willst.

    Zum Thema Änderungsantrag und Abstimmungen: es wird aller Voraussicht nach – nach einer längeren Debatte – erst einmal ein Meinungsbild darüber geben, welcher Antrag (Grund-2, Grund-3 oder Grund-5) der Leitantrag wird. Da geht es um die Richtungsentscheidung, und da würde ich Dich sehr bitten, die hier angeführten Bedenken zurück zu stellen. Wenn hier Grund-3 nicht zum Leitantrag wird, ist die Sache eh daneben gegangen. Ansonsten geht es dann um evtl. Änderungen zum Leitantrag, und dann wird es um eine Schlussabstimmung gehen. D.h., wenn ein Änderungsantrag nicht erfolgreich ist, bleibt Dir dann immer noch die Möglichkeit, in der Schlussabstimmung gegen den Antrag (aber damit nicht für die Grundsicherung) zu stimmen. (So detailliert, damit auch die Mitlesenden kapieren, worum es geht).

  14. Till Westermayer

    Das folgende ist nicht von mir, sondern stammt aus unserer internen Diskussion. Macht das Prinzip (und eine Ausgestaltungsmöglichkeit) der negativen Einkommenssteuer aber schön deutlich, deswegen zitiere ich es hier mal:

    Das mit der Auszahlung ist im Prinzip ganz einfach! Bei Menschen, die in einem Anstellungsverhältnis stehen, also Lohn bzw. Gehalt beziehen, ist das über die Steuerformel geregelt. Im Fall negativer Einkommensteuer (die sich natürlich auch durch die Anrechnung des Grundeinkommens der übrigen Familie ergeben kann) bekommen sie diese vom Arbeitgeber zusätzlich zu ihrem Lohn/Gehalt ausbezahlt. Der Arbeitgeber holt sich die ausbezahlte negative Einkommensteuer vom Staat im Zusammenhang mit der von ihm monatlich an die Finanzverwaltung abzuführende Lohnsteuer zurück. Die negative Einkommensteuer wird von der Summe der einbehaltenen Lohnsteuer schlicht abgezogen. Damit sind sehr viele Fälle (z.B. alle Fälle von Aufstockung und alle Auswirkungen des Grundeinkommens für die übrigen Familienmitglieder auf die Lohnsteuer von Menschen mit Anstellungsverhältnis (nicht berufstätige Frau und Kinder)) ohne jede Bürokratie erledigt, denn weder für den Arbeitgeber noch für die Finanzverwaltung entsteht auch nur ein zusätzlicher Arbeitsgang. Alles wird elegant im Rahmen der Lohn- und Gehaltsabrechnung in 99% aller Fälle per EDV über die Steuerformel geregelt.

    Aber auch Fälle negativer Einkommensteuer ohne Anstellungsverhältnis (also z.B. Selbständige oder Menschen, in deren Familie (Frau und Kinder unter 18) niemand in einem Anstellungsverältnis ist) sind unproblematisch. Die Finanzverwaltung ist nämlich auf Auszahlungen generell vorbereitet. Zum Beispiel müssen viele Firmen monatlich ihre Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben und wenn da eine Erstattung herauskommt, was durchaus häufig vorkommt, bekommen die Firmen das postwendend und sehr schnell von der Finanzverwaltung ausbezahlt. Die Finanzverwaltung ist auch prinzipiell auf Vorauszahlungen vorbereitet. Jeder Steuerpflichtige, der Einkünfte außerhalb Lohn und Gehalt hat, erhält jährlich von der Finanzverwaltung einen Vorauszahlungsbescheid, in dem die von ihm zu leistenden Vorauszahlungen (monatlich oder vierteljährlich) festgelegt sind, und diese Vorauszahlungen muss der Steuerpflichtige dann leisten. Im Fall einer negativen Einkommensteuer geht das ganz genauso. Ist zu Beginn eines Jahres davon auszugehen, dass ein Steuerpflichtiger (incl. Familie) ohne Anstellungsverhältnis per Saldo Empfänger einer auszuzahlenden negativen Einkommensteuer sein wird, muss in diesem Fall er sich bei der Finanzverwaltung mit einem entsprechenden Antrag melden (im umgekehrten Fall bekommt er unaufgefordert von der Finanzverwaltung einen Vorauszahlungsbescheid). Auf Grund dieses Antrags zahlt die Finanzverwaltung dann monatlich seine negative Einkommensteuer aus. Wenn sich etwas ändert, ist der Steuerpflichtige verpflichtet, sich zu melden. Aber auch wenn er das nicht tut, ist nichts passiert, denn am Jahresende muss er sowieso seine Steuererklärung abgeben und über die wird dann automatisch alles ausgeglichen. Hat er zu hohe Vorauszahlungen negativer Einkommensteuer erhalten, muss er im Rahmen seiner Jahressteuer zurückzahlen, ansonsten bekommt er ggf. noch weitere Erstattungen. Auch wenn sich im laufenden Jahr etwas ändert, ist das kein Problem. Auch heute schon kann jeder Steuerpflichtige zu jedem Zeitpunkt einen Antrag auf Änderung seines Vorauszahlungsbescheides stellen. Ist sein Antrag plausibel, wird die Vorauszahlung sofort angepasst. Umgekehrt kann dann jeder Steuerpflichtige auch innerhalb des Jahres einen neuen oder geänderten Vorauszahlungsantrag für die Auszahlung der negativen Einkommensteuer stellen. Ab dem nächsten Auszahlungstermin erfolgt dann die neue oder geänderte Auszahlung. Innerhalb des Jahres gestellte Anträge werden von der Finanzverwaltung großzügig behandelt (das heißt, nur auf Plausibilität geprüft), da ja eh nichts passieren kann. Über die Jahressteuer wird alles wieder ausgeglichen.

    Betrug ist dabei so gut wie ausgeschlossen, denn die Finanzverwaltung ist über die Lohnsteuermeldungen der Arbeitgeber genauestens über jede Lohnzahlung, ggf. incl. Auszahlung negativer Einkommensteuer, durch den Arbeitgeber informiert. Hat ein Mensch nun einen Antrag auf Auszahlung negativer Einkommensteuer an das Finanzamt gestellt, der nicht gerechtfertigt war (also z.B. bestand gar kein Anspruch oder die Auszahlung war zu hoch), erkennt die Finanzverwaltung das sofort, da bei ihr ja alle Daten zusammenlaufen. Wie auch heute schon (z.B. bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung etc.) wird in so einem Fall der Steuerpflichtige von der Finanzverwaltung aufgefordert, eine Steuererklärung abzugeben, in deren Rahmen dann der Ausgleich erfolgt.

    Wie Ihr seht, ist das wirklich alles ganz einfach und alle notwendigen Strukturen sind bereits vorhanden. Im Grunde genommen läuft unser Antrag im Wesentlichen auf eine Änderung der Steuerformel hinaus. Was dazu kommt, sind einige wenige neue Antragsformulare, ein paar Änderungen bzw. Ergänzungen bei den Lohnsteuermeldungen der Arbeitgeber und natürlich für die Fälle ganz ohne Anstellungsverhältnis aber mit Auszahlung negativer Einkommensteuer in Maßen zusätzliche Arbeit für das Finanzamt. Das Finanzamt muss ja die jetzt neu zu stellenden Auszahlungsanträge bearbeiten und die Auszahlung veranlassen. Das ist aber nicht sehr aufwändig, da ja keine großartige Prüfung erforderlich ist und alle übrigen Daten schon im Rahmen der bisherigen Steuerabwicklung eh gespeichert sind. In jedem Fall steht das aber in absolut keinem Verhältnis zur Bürokratie von Hartz IV, da es ja nur relativ wenige Fälle überhaupt betrifft (alle Aufstocker und alle Familien mit mindestens einem „Verdiener“ fallen ja ganz raus) und diese zudem sehr einfach im Handling sind. Und noch ein zusätzliches Bonbon zum Schluß: wenn die Grundeinkommensbeträge zukünftig einmal aufgestockt werden, ändert sich so gut wie nichts! Denn das wird sehr elegant durch eine schlichte Änderung der Steuerformel ohne jeden zusätzlichen Aufwand gelöst. Die Finanzverwaltung wird dadurch nicht im mindestens mehr belastet, denn ihre ureigenen Fälle (Menschen/Familien ohne Anstellungsverhältnis und mit Auszahlung negativer Einkommensteuer) nehmen dadurch ja nicht zu. Ganz im Gegensatz zu Hartz IV: dort würde das System schon bei geringfügigen Erhöhungen des ALG II kollabieren, da eine Inflation zusätzlicher „Fälle“ auf die Verwaltung zukäme.

  15. Till Westermayer

    Hier findet sich eine ziemlich gut verständliche Erläuterung, wie das Sockelgrundeinkommen finanztechnisch funktioniert.

  16. Henning

    @Till

    Grund-1 ist nicht der Grundsicherungsantrag, sondern die gemeinsame, von beiden Seiten mitgetragene Einleitung. Da würde es mich wundern, wenn Du gegen die Stimmen willst.

    Ich meinte natürlich Grund-2. Ist korrigiert. Danke!

    Danke auch für die ganzen anderen Erläuterungen.

  17. Till Westermayer

    Kommt jetzt eigentlich noch ein Änderungsantrag? Wenn ich das richtig sehe, können bis Samstag abend welche eingereicht werden.

  18. Henning

    Ich hab gerade eine Mail rausgeschickt mit der Suche nach den weiteren neun Unterstützern.

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