Götz Werner live

Da war er nun. Für die einen der große Prophet, für die anderen eine Hassfigur. Und für manche etwas dazwischen. Für mich zum Beispiel. Götz Werner war heute zu einem Vortrag in Nürtingen – zum dritten Mal bereits, wie er erwähnte.

Das Thema war natürlich das bedingungslose Grundeinkommen. Wobei er es geschafft hat, bis zum Ende das Wort zwar oft in den Mund zu nehmen, aber kein Wort darüber zu verlieren, wie das Konzept seiner Ansicht nach überhaupt aussehen soll. Und ich spreche hier nicht einmal vom Finanzierungskonzept, sondern vom Grundgedanken des Grundeinkommens überhaupt.

Erst bei Beginn der Fragerunde skizzierte er auf Nachfrage aus dem Publikum die Grundidee. Also dass jeder einen bestimmten Betrag („nehmen wir zum Einstieg mal 750 EUR“) ausgezahlt bekommt, und zwar völlig unabhängig von weiterem Einkommen oder Vermögen. Was er hingegen skizziert hatte, war seine zweite Idee – eigentlich unabhängig vom Grundeinkommen – dass wir wegsollen von der Besteuerung und der Abgabenlast auf Arbeit hin zu einer Konsumbesteuerung.

Das Publikum war sehr gemischt. Alle Generationen waren gut vertreten. Besonders fiel mir aber auf, dass viele aus der Generation 60plus da waren. Die wurden auch sicher besonders gut angesprochen durch Werners Zitate von Einstein, Goethe und anderen toten, alten Männern.

Bis zum Beginn der Fragerunde erwartete ich noch ein relativ kritisches Publikum mit einer kontroversen Diskussion im Anschluss. Als sie dann lief, hatte ich zwischendrin den Eindruck in einer Kirche zu sein deren Oberguru gerade da oben steht. Ein wenig ging der Eindruck zwar wieder weg, aber viele schienen schon irgendwie beseelt zu sein.

Kein Wunder. Götz Werner hat das schlau gemacht. Er hat vor allem Dinge erzählt denen jeder zustimmen kann. Über das Grundeinkommen hat er eigentlich nicht viel geredet, sondern vor allem, was es für positive Auswirkungen hätte und noch dazu ganz allgemein über den Mut zur Veränderung.

Ein Zitat – ich glaube, es war ein chinesisches Sprichwort – aus seinem Vortrag war: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern – und die anderen Windmühlen.“

Klar will da keiner zu denen gehören, die Mauern bauen. Ein netter und unterhaltsamer Vortrag mit einigen interessanten Gedanken war es definitiv. Aber diese guruhafte Verehrung kann ich nach wie vor nicht teilen. Auch wenn einige in die Jahre gekommene Groupies völlig aus dem Häuschen zu sein schienen.

Vielen Dank an Kai für den Veranstaltungshinweis, die Begleitung und die Bewirtung. 🙂

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Stefan Ramone

    Das Bild mit den Mauern und Windmühlen ist schief… im warmen Südfrankreich konnte ich lernen, wie wichtig dicke Mauern in der Sommerhitze sind – und auch an der stürmischen Nordseeküste möchte sicher keiner direkt neben seinem Windrad im Freien kampieren.

    Dem Grundeinkommen gegenüber bin ich zwar interessiert, aber auch mit einer gehörigen Portion Skepsis eingestellt.

    Werners Modell hat IMO den Haken, dass 750.- bei gleichzeitiger massiver Erhöhung der Verbrauchssteuern (z.B. MWSt.) ja viel weniger wert wären als heute. Ob damit noch eine Grundsicherung möglich wäre? Deshalb wird er wohl auch nicht gerne konkret. Allerdings hat er sich große Verdienste damit erworben, dass nun überhaupt andere Modelle der Sozialsicherung diskutiert werden. Daher vielleicht auch die guruhafte Verehrung. Das Mantra vieler Politiker, „Sozial ist, was Arbeit schafft“, wurde in den letzten Jahren ja wohl deutlich widerlegt.

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