Jahresrückblick 2010 nach Themen

Ich find ja, ein Jahresrückblick kann gar nicht spät genug kommen, schließlich kann immer noch was Wichtiges passieren. Andererseits sollte er doch irgendwie noch im entsprechenden Jahr stattfinden, sonst interessiert sich ja doch irgendwie keiner mehr dafür – oder?

Für dieses Jahr habe ich mir überlegt, meinen persönlichen Jahresrückblick 2010 nach Themen zu kategorisieren.

Erster Job

Begonnen hat das Jahr mit meinem ersten Job bzw. eher mit meinem ersten Vollzeit-Job, denn auch zuvor habe ich ja bereits neben dem Studium mehrere Jahre in der Branche gearbeitet. Das war natürlich die größte Veränderung in diesem Jahr, die auch weitere Veränderungen angestoßen oder ermöglicht hat.

Büro 2010Zunächst einmal war da natürlich die Freude, nach langer Zeit das Studium endlich abgeschlossen zu haben und dann auch sehr schnell einen Job gefunden zu haben (oder der Job mich in dem Fall). Noch dazu habe ich sofort gemerkt, dass ich bei einem tollen Arbeitgeber gelandet bin. Danke an dieser Stelle dafür, MOSAIQ MEDIA!

Geschmeichelt hat mir natürlich auch, dass ich – meist mit Bezug auf meine Diplomarbeit – auch danach noch Jobangebote bekommen habe, die ich aber alle mit „Ich bin bereits glücklich vergeben“ abgelehnt habe. Besonders habe ich mich gefreut, dass ich ein Jobangebot auch weitergeben konnte und derjenige nun auch bereits seit einem dreiviertel Jahr dort arbeitet.

Verändert haben sich natürlich insbesondere zwei Dinge: Mehr Geld und weniger frei einteilbare Zeit. Es ist ja schon eher ein Klischee, dass man im Studium eigentlich immer nur Freizeit hat, aber man kann sie sich auf jeden Fall freier einteilen und zum Beispiel vor den Prüfungen nochmal richtig Gas geben, während man vorher andere Prioritäten gesetzt hat. Jedenfalls bei mir ging das so, das ist ja auch sehr unterschiedlich.

Büro 2010Mehr Geld war natürlich ein großer Segen und auch ein großer Sprung, wenn man vorher wirklich sehr aufs Geld achten musste. Die letzten fast vier Jahre meines Studiums hatte ich mich ja fast nur noch von meinen Jobs finanziert. Nicht mehr so auf jeden Euro gucken zu müssen und sich auch immer wieder mal was gönnen zu können, ist natürlich ein sehr schönes Gefühl. Aber ich kann auch ein wenig nachvollziehen, was mir eine früher in den Job eingestiegene Freundin nach einer Weile im Job sagte: „Ich hatte noch nie so wenig Geld wie jetzt.“

So weit geht es bei mir zum Glück nicht, aber mehr Geld erhöht auch schnell die Ansprüche und so kann aus mehr Geld auch schnell wieder weniger Geld werden. Zudem hat man natürlich gerade am Anfang auch einen erheblichen Investitionsstau. Neue Kleidung, Möbel, Bücher, Filme, Waschmaschine usw.

In diesem Punkt also definitiv ein gutes Jahr. Nicht nur nen Job begonnen, sondern auch fest entschlossen, da noch lange zu bleiben.

Auto fahren

Klingt sicher nach einer komischen Rubrik in einem Jahresrückblick – insbesondere bei mir, habe ich doch seit etwa 2004 gar kein Auto mehr und habe oft gemeint, ich würde den Führerschein am liebsten wieder in Geld zurücktauschen. Damit könne ich mehr anfangen.
Tja, aber auch hier hat der Beruf einiges verändert. Zu Geschäftsterminen in mittlerer Entfernung wird meist das Auto genommen. Nach Frankfurt oder Kassel bin ich aber auch mit dem Zug gefahren. Die meisten Termine finden aber in Baden-Württemberg statt und Industriegebiete sind auch meist nicht besonders gut an die Schiene angeschlossen. Noch dazu fährt man ja oft auch nicht alleine.

Schnee in Celle (1)Schnee in Celle (2)

Nun bin ich also dieses Jahr mehr Auto gefahren als die letzten fünf Jahre zusammen. Dabei bin ich dann auch zum ersten Mal in meinem Leben Automatik gefahren. Das war am Anfang doch extrem ungewohnt und oft bin ich beim Zurollen auf eine Ampel hart auf die Bremse getreten, weil ich schon mal die Kupplung treten wollte. Apropos Bremse, die muss man auch zum Starten treten, aber das war mir am Anfang schnell wieder entfallen und so stand ich dann erstmal blöd da und auch meine Beifahrerin wusste nicht weiter.

Inzwischen habe ich mich daran aber schon so gewöhnt, dass ich beim Fahren eines CarSharing-Autos rund um meinen Umzug prompt vergessen habe, beim Starten die Kupplung zu treten. Auch nicht so gut. Jedenfalls kann ich nun sagen, dass ich einen Audi TT nicht nur optisch schön finde, sondern dass er sich auch sehr gut fahren lässt. Früher konnte ich nie nachvollziehen, wieso so viele Menschen Spaß am Auto fahren haben. Heute weiß ich, dass das sehr vom Auto abhängt und mit einem Ford Fiesta, Baujahr 1989, ist das eben was anderes als mit einem TT mit Navigationssystem. Überhaupt, Navigationssysteme. Ohne würde ich wohl kaum irgendwo ankommen, geschweige denn freiwillig Auto fahren. Zum 30. Geburtstag wünsche ich mir Orientierungssinn. 😉

Siezen


Henning Schürig (2010)Noch eine komische Kategorie in meinem Jahresrückblick. Aber während es bisher so war, dass ich fast alle Leute um mich herum geduzt habe, hat sich auch hier einiges geändert. Bis einschließlich 2009 habe ich die allermeisten Menschen, vor allem die mit denen ich öfter zu tun hatte, geduzt. Im Studium die Kommilitonen und einige Mitarbeiter, im Job die Kollegen, bei den Grünen traditionsgemäß alle und meine Freunde sowieso. Ausnahmen waren bei den häufigeren Kontakten am ehesten noch die Professoren, Uni-Mitarbeiter oder manchmal Journalisten.

Nun hat man tagtäglich mit Kunden zu tun. Auch da gibt es Duz-Ausnahmen, aber in der Regel ist dort ja das Sie vorherrschend. Das klingt vielleicht banal, war bzw. ist für mich aber eine große Umstellung. Auch bei den Facebook-Kontakten bin ich inzwischen längst nicht mehr mit allen per Du. Da wird dann fleißig kommentiert und 90 % duzt man in den Antworten und beim kommentierenden Kunden versucht man das dann einfach zu umgehen, damit’s nicht so auffällt.

Ungewohnt. Bin ja eh eher ein Duz-Freund. Allerdings ist der Übergang vom Sie zum Du auch schwierig. Das muss eigentlich von Anfang an so sein, sonst kriegt man das nie so richtig aus dem Kopf.

Leben

Aber auch sonst im Leben hat sich einiges getan. Durch den Job konnte ich endlich aus meiner ungeliebten WG in eine eigene Wohnung umziehen.Erleuchtung im Wohnzimmer Die ist zwar teuer, aber total zentral, sehr schön und nur gut fünf Minuten vom Büro entfernt. Fünf Gehminuten!

Im Spätsommer dann mein erster richtiger Urlaub seit sieben Jahren! Das tat auch echt gut und war dringend nötig.

Ansonsten habe ich im Frühjahr meinen lange gehegten Plan vom Besuch eines Fitnessstudios in die Tat umgesetzt. Von anfangs 2-3 Mal die Woche über eine Pause bin ich nun bei knapp einem Mal pro Woche. Lieber einmal pro Woche wirklich hingehen als zwei Mal planen und gar nicht hingehen. Und demnächst bekomm ich eventuell noch nen Trainingspartner, dann wird’s vielleicht auch wieder öfter.

Es gab natürlich noch mehr spannende Dinge, sowohl Aufs als auch Abs,Urlaub 2010 aber wie langjährige Leser sicher gemerkt haben, haben mit dem Job auch die Berichte aus dem Privatleben abgenommen. Schon immer habe ich ja genau darauf geachtet, was ich preisgebe und was nicht, aber bei vielen Dingen wäre mir jetzt nicht so wohl dabei, wenn die beruflichen Kontakte das auch alle wüssten und daher wird dieser Bereich immer selektiver.

Politik

Ein Wahnsinnsjahr war 2010 natürlich auch in der Politik. Stuttgart 21 füllte bundesweit, teilweise weltweit, die Schlagzeilen, die Grünen erreichen in Umfragen ungeahnte Höhenflüge und die schwarz-gelbe Landesregierung in Baden-Württemberg ist mehr als ernsthaft gefährdet. Die bei der Bundestagswahl vor knapp einem Jahr noch so erfolgreiche FDP muss in ihrem Stammland sogar um den Einzug in den Landtag fürchten. Und das wo der politische Erzfeind sich Hoffnungen auf das Amt des Ministerpräsidenten machen kann.

Stuttgart 21Die ganze Diskussion um Stuttgart 21 war zwischenzeitlich sehr aufreibend. Vor der Schlichtung wurde ich mehrmals täglich darauf angesprochen. Teilweise online, teilweise auf der Straße oder auf Partys. Mal wissbegierig fragend, mal kontrovers und vorwurfsvoll. Auch körperliche Gewalt wurde mir angedroht, einfach nur, weil man sehen konnte, dass ich S21-Gegner bin.

Insofern war die Schlichtung für mich ganz persönlich ein erheblicher Zugewinn an Lebensqualität. Mit dem Schlichterspruch – auf den ich jetzt natürlich auch immer wieder angesprochen werde – bin ich hingegen nicht zufrieden. Ein Blogeintrag dazu wurde nie fertig, aber in Kürze dazu nur: Heiner Geißler hätte sich nicht hinter S21 stellen und ein Plus fordern sollen, sondern stattdessen lieber etwas wie „Wenn S21 gebaut wird, dann nur mit Plus“ als Schlichterspruch formulieren sollen.
Die Rechnung für S21 kommt am 27.03.11Mal ganz abgesehen davon, dass es die CDU offenbar geschafft hat, ihrem alten Weggefährten eine Volksabstimmung als unmöglich darzustellen. Dabei gibt es Möglichkeiten dafür, man müsste nur wollen – im Zweifel kann man ja auch die Verfassung ändern.

Politik 2010 bedeutete für mich aber auch erstmals Politik neben dem Beruf und somit (siehe oben) mit weniger freier Zeiteinteilung. Teilweise habe ich mir Urlaub für die Politik genommen, teilweise konnte ich dank eines wohlwollenden Arbeitgebers auch an Freitagen, wo unsere Landesvorstandssitzungen stattfinden und Parteitage oft beginnen, früher gehen.

Von dem Gedanken, Politik zum Beruf zu machen, habe ich mich vorerst verabschiedet. Mein Job macht mir zu viel Spaß, er würde mir fehlen. Und, ganz ehrlich, ich hätte als Vollzeitpolitiker auch deutlich weniger Freizeit. Da setze ich derzeit klar andere Prioritäten. Daher trete ich auch nicht zur Landtagswahl 2011 an. Vielleicht sieht das 2016 wieder anders aus. Das sehen wir dann.

Aber da wir eine Maximalquote für Abgeordnete in unserem Landesvorstand haben, ist es ja auch gar nicht verkehrt, wenn wenigstens ein paar Landesvorstandsmitglieder nicht für ein Parlament kandidieren. 😉

Politik 2011Das Jahr 2011 wird aber natürlich auch für mich als Freizeit-Politiker und politischen Menschen sehr spannend. Sollte es im März für eine Regierungsbeteiligung, vielleicht sogar für eine Regierungsführung, reichen, wird das natürlich auch die Arbeit im Landesvorstand verändern. Ich finde es sehr spannend, diese Prozesse mit begleiten und ein Stück weit auch mitgestalten zu können.

Web & Blog

In Sachen Web hat sich 2010 auch jede Menge getan. Facebook hat sich richtig fest etabliert, mit dem iPad wurden Tablet-Computer modern, die mobile Nutzung des Internets nimmt rasant zu und Blogs sterben mal wieder aus. 😉

Auch bei mir im Blog ist es weniger geworden, was zum Teil an weniger Zeit und zum Teil an anderen Veröffentlichungsformen liegt. Facebook verdrängt hier ein Stück weit Twitter und Blogs. Zumal es leichter zu pflegen ist. Für mich wird mein Blog aber weiterhin wichtig sein. Erstens weil ich damit unabhängig von fremden Plattformen bin und zweitens weil längere Texte dort immer noch besser aufgehoben sind. Auf Facebook würde das viel zu schnell untergehen für die Mühe, die hinter so einem Beitrag teilweise steckt.

Fazit

Wir haben nun ein neues Jahr, weil’s alte echt hinüber war. Der Spruch stimmt zwar inhaltlich mal wieder nicht, denn 2010 war überwiegend richtig toll für mich, aber ich mag ihn einfach. 🙂

In diesem Sinne: Einen guten Rutsch und alles Gute für 2011!

Dieser Beitrag hat 18 Kommentare

  1. Till

    Schöner Jahresrückblick – gerade als Soziologe (und damit immer in einer Beobachterposition, wenn’s um Gesellschaft geht ;-)) finde ich die von dir beschriebenen Erfahrungen beim Wechsel aus dem Studium ins Berufsleben spannend. Neugierig macht das Babyphoto oben – was will uns das sagen?

    Aus Öko-Sicht spannend finde ich das von dir angesprochene Thema „Auto“ – ich weigere mich ja nach wie vor, überhaupt nur einen Führerschein zu machen. Kundentermine in Industriegebieten wären also definitiv nichts für mich – jedenfalls, solange der ÖPNV sich nicht erheblich bessert. Und als „Berufsverkehrsmittel“ neu entdeckt/belebt wird.

    (BTW: Althandy+neuer Akku+iPad habe ich auch gerne gelesen)

    Wünsche dir damit alles Gute für 2011!

  2. Henning

    Na, das hoffte ich doch, dass es für den einen oder anderen spannend ist. An berufliches Interesse von Soziologen hatte ich da allerdings weniger gedacht. 😉

    Das Babyfoto sagt uns eigentlich nichts Neues: Ich mag kleine Kinder und da letztens hier eine Kollegin mit ihrem Kleinen da war und da das Bild gemacht wurde, hab ich’s mal zur Illustration des Berufslebens mitverwendet. Nicht mehr und nicht weniger. 🙂

    Das Thema Auto fand ich auch aus ökologischer Sicht interessant – und bedenklich. Zeigt einmal mehr, dass es trotz aller Anstrengungen für besseren ÖP(N)V wichtig ist, die Autos so ökologisch wie möglich hinzukriegen.

    Dir natürlich auch alles erdenklich Gute für 2011! Danke fürs fleißige Lesen und Kommentieren. 🙂

  3. Don

    Verfassungsänderung wegen eines Bahnhofs? Ist das angemessen? Seit über 10 Jahren wird über S21 diskutiert und die Parteien haben sich schon lange positioniert. Wenn man bisher keine Parlamentsmehrheit gegen S21 zusammenbekommen hat, ist das wohl so vom Wähler gewollt. Die Verträge sind unterzeichnet und die Bagger haben ihre Arbeit schon begonnen – es ist doch irgendwie sehr spät das ganze Projekt noch einmal ganz in Frage zu stellen.
    Die Grünen haben selber Heiner Geißler als Schlichter ins Spiel gebracht. Ich würde davon ausgehen, dass man ihn für unvoreingenommen und fähig gehalten hat, sonst hätte man sicher keinen CSU’ler vorgeschlagen. Wenn einem der Schlichterspruch nicht gefällt, kann das auch heißen, dass die eigene Position nicht die sinnvollste ist. Heiner Geißler jetzt Voreingenommenheit vorzuwerfen zeigt meiner Meinung nach mangelnde Fähigkeit zur Selbstreflexion.
    Ich bin schon gespannt auf den grünen Ministerpräsidenten, der dann wahrscheinlich S21 trotzdem bauen muss.

  4. Henning

    @Don
    1. Stuttgart 21 wird seit über 15 Jahren diskutiert – und Kritik, die das Projekt in Frage stellt, mit dem Hinweis dafür sei es zu spät, abgewehrt. So zum Beispiel hier 1997: https://www.henningschuerig.de/blog/2010/10/04/warum-ist-der-protest-gegen-stuttgart-21-so-spaet/

    2. Die Verfassung soll man natürlich nicht für (oder gegen) einen Bahnhof ändern, sondern um mehr direkte Demokratie zu ermöglichen. Einfach nur zu sagen, das ist rechtlich nicht möglich ist einfach ein Vorbeimogeln, solange man sich selbst dagegen sperrt, genau das möglich zu machen.

    3. Heiner Geißler ist in der CDU, nicht in der CSU.

    4. Abgesehen davon sage ich nicht, dass er voreingenommen ist oder war, sondern mache nur deutlich, was mir an seinem Schlichterspruch nicht passt.

  5. Don

    1. Ich habe 1997 nicht behauptet, dass es zu spät sei. Aber jetzt ist es zu spät, seit mind. einem Jahr.

    2. Selbst wenn man die Verfassung ändert, wäre es für S21 zu spät. Bisher habe ich immer noch nicht verstanden, welches Volk denn über den Bahnhof abstimmen sollte. Stuttgart? BW? Deutschland? Die EU? Alle sind finanziell irgendwie beteiligt.

    4. Die Formulierung ‚alter Weggefährte‘ hat mir diesen Schluss nahe gelegt. Meine Kritik basiert aber mehr auf den Kommentaren von Spitzen-Grünen zum Schlichterspruch.

  6. Henning

    1. Dass es jetzt zu spät ist, behaupten vor allem die, die auch 1997 oder zumindest schon seit mehreren Jahren meinen, dass es zu spät ist. Das ist doch (von denen) zumindest unredlich, oder?

    2. Wieso wäre es für S21 zu spät? Man kann jederzeit die Verfassung ändern. Außerdem ist das nicht die einzige Möglichkeit. Nur wer behauptet, das ginge nicht, muss sich vorhalten lassen, dass das eine Schutzbehauptung ist, solange er nicht gleichzeitig dafür eintritt, dass es möglich wird.

    4. Das sollte nur zeigen, dass sie ihn in diesem Punkt offenbar überzeugt bekommen haben – entgegen seiner sonst oft zitierten Sympathie für Volksentscheide.

    Und wieso darf man (als Spitzen-Grüner) den Schlichterspruch jetzt nicht kritisieren? Die Schlichtung war von Anfang an als Fach- und Sachschlichtung gedacht und nicht als politische Schlichtung. Es ging darum, Fakten zu klären – und nicht darum, einen Kompromiss zu finden. Der Schlichterspruch hat im übrigens keinerlei demokratische Legitimation.

  7. Don

    1. Der halbe Bahnhof ist schon abgerissen, Verträge über rund 1 Mrd. wurden bereits unterzeichnet. Heute zu behaupten, man kann einfach aus S21 raus, ist mindestens genau so unredlich wie 1997 zu behaupten, man muesse S21 bauen.

    2. Man hat demokratische Beschluesse, Verträge sind unterzeichnet, der Bau läuft. Daher sage ich, es ist zu spät den Bürger nochmals zu befragen. Zu spät im Sinne von „es ist weder realistisch noch sinnvoll jetzt auszusteigen“. Welche Bürger willst du denn fragen? Stuttgart? BW? Deutschland oder EU? Und warum?

    4. Wenn man einen Schlichter überzeugt, der von den Grünen vorgeschlagen wurde, hatte man offensichtlich sehr gute Argumente.
    Schlichtung heißt für mich, einen Kompromiss oder eine ausgewogene Lösung zu finden. Fakten klären würde ich eher als Mediation bezeichnen.
    Wenn der Schlichterspruch sich so stark an der anderen Position orientiert, würde ich erwarten, dass man seine eigene Postion mal gründlich überdenkt. Das haben die Grünen nicht gemacht. Aber du hast schon recht. Der Bau von S21 ist bereits demokratisch legitimiert und dass kümmert die Grünen auch nicht. Von daher war es natürlich unsinnig, anzunehmen die Grünen würden nach dem Schlichterspruch ihre Position überdenken.

  8. Henning

    1. Über die Ausstiegskosten wird heftig gestritten, aber die Bahn rechnet da z.B. die 700 Mio. EUR ein, die sie der Stadt Stuttgart für die Grundstücke dann zurückzahlen müsste. Das wäre zwar bitter für die Bahn, aber insgesamt kann ich das schwer zu den Ausstiegskosten zählen.

    2. Oh, sorry, da hatte ich einen Teil der Frage zu beantworten vergessen. In der EU darüber abzustimmen wäre unsinnig, da die EU gar kein Geld für Stuttgart 21 bereitstellt bzw. sogar ausdrücklich untersagt hat, dass EU-Gelder für den Bahnhof verwendet werden dürfen.
    Sinnvoll wäre eine Volksabstimmung vor allem in Stuttgart und/oder Baden-Württemberg. Hier sind die Auswirkungen am stärksten zu spüren und das Land zahlt ja auch einen sehr großen Batzen Geld.

    4. Ob der Begriff Schlichtung der richtige ist, ist jetzt nicht zielführend zu diskutieren. Es wurde aber im Rahmen dieser Schlichtung selbst immer wieder betont, dass es um eine Fach- und Sachschlichtung geht, also warum stellst du das in Frage?

    Bei genauerem Hinsehen hat übrigens der Schlichterspruch auch gesagt, dass S21 so wie es ist wohl gar nicht die versprochene Leistungssteigerung bringt. Ja, dass es sogar in Frage gestellt wird, ob S21 (ohne plus) überhaupt eine Verbesserung zum heutigen(!) Kopfbahnhof wäre.

    Und zur Demokratie gehört es übrigens auch, dass Beschlüsse durch neue Beschlüsse verändert werden können. Eine unterlegende Minderheit muss nach einer Abstimmung doch nicht ihre Meinung aufgeben. Im Gegenteil: Sie kann weiter daran arbeiten, dass ihre Meinung Mehrheitsmeinung wird. Studiengebühren wurden z.B. eingeführt und teilweise auch wieder abgeschafft, der Atomausstieg wurde herbeigeführt und wird jetzt deutlich weiter nach hinten verschoben, Steuern wurden erhöht und gesenkt usw. usw.

  9. Paulina

    Schöner Jahresrückblick. Vor allem Interessant das Thema Studium und Übergang in das Berufsleben. Ich wünsch‘ Dir ein tolles Jahr 2011. LG

  10. Henning

    @Paulina
    Danke! Wünsch ich dir natürlich auch. 🙂

  11. Don

    1. Unstreitig ist jedenfalls, dass bisher schon sehr viel Geld geflossen ist, und auch schon sehr viel Geld in unterzeichneten Verträgen steckt. Weiterhin lässt sich kaum abstreiten, dass ein Teil des alten Bahnhof bereits abgerissen ist. Also ist die Situation deutlich anders als 1997. Wirst du das zugeben?

    2. Die Bahn zahlt auch viel Geld und gehört dem Bund. Außerdem sind alle Bahnreisenden betroffen, die durch Stuttgart fahren. Also müsste man doch mindestens bundesweit abstimmen, oder? Die nächste Frage ist dann, ab welcher Projektgröße, denn die Volksbefragung durchgeführt werden sollte, also ab welcher Investitionssumme bzw. „Spürbarkeit für den Bürger“. Das betrifft ja alle Projekte, z.B. Bahnhöfe, Stromleitungen, Hochgeschwindigkeitstrassen, …

    4.a) Ich lege schon wert darauf, dass die Politik mit klaren Worten sagt, was Sache ist. Wenn der Streit nicht beigelegt werden soll, dann doch bitte nicht das Wort Schlichtung verwenden. Ansonsten kann man ja auch jede Podiumsdiskussion als Parteitag bezeichnen, wenn man betont, dass keine Beschlüsse gefasst werden und nur die genannten Personen diskutieren dürfen.

    b) Es freut mich, dass du den Beschluss für S21 als demokratisch legitimiert anerkennst. Dies leugnen viele Gegner. Von diesen Lügnern sollte man sich doch auch als Gegner stärker distanzieren. Alles andere ist doch unredlich, oder? Wie sehen das eigentlich die Spitzengrünen?

    Abgesehen davon muss ich deinem Gedankengang widersprechen. Das wäre der Weg in die Nichts-geht-mehr Republik. Es gibt einfach Entscheidungen, die getroffen und dann durchgeführt werden müssen. Klar kann man die Steuern nach 4 Jahren mal ändern. Aber bei der Atomkraft ist es schon fraglicher, ob man das einfach rückgängig machen sollte. (Spitzengrüne haben auch gesagt, dass man den Ausstiegskompromiss doch nicht wieder anfassen sollte. Umso verwunderlicher, ihr Verhalten bei S21.)
    Und einen Bahnhof kann man nun mal nicht alle 5 Jahre wieder abreißen und neubauen. Der sollte mindestens 30 Jahre stehen, und die Planung dauert bei solchen Projekten auch recht lang. Also sollte man spätestens mit der Vertragsunterzeichnung, seinen Widerstand einstellen. Gibt es sonst in Stuttgart und BW keine Probleme, die angegangen werden müssten?

  12. Henning

    @Don
    1. Klar ist die Situation heute eine andere. Klar ist aber auch, dass ein Ausstieg plus K21 immer noch günstiger wäre als S21 weiterzubauen.

    2. Kennst du das Subsidaritätsprinzip? Man sollte die Dinge immer auf der untersten Ebene klären auf der das sinnvoll möglich ist. Und das Land ist nun mal die staatliche Ebene, die da am meisten drinsteckt.
    Zu deiner Frage ab wann man eine Volksbefragung durchführen sollte: Zumindest mal dann, wenn 60.000 Unterschriften der Bürger einer Stadt dies gefordert haben.

    4 a) Den Begriff Schlichtung fanden viele von Anfang an unglücklich, es wurde jedoch immer wieder betont, dass es eine Fakten- und Sachschlichtung ist, so dass niemand, der das ernsthaft verfolgt hat, das falsch verstanden haben kann.

    4 b) Er ist formal gesehen demokratisch legitimiert, aber der Beschluss ist unter ganz anderen Voraussetzungen (nämlich bewusst geschönten Kostenrechnungen) zustandegekommen. Insofern muss der Beschluss politisch natürlich in Frage gestellt werden, denn was ist ein Beschluss wert, der auf falscher Grundlage gefällt wurde? Soviel zum Thema unredlich.
    Wie das andere sehen, fragst du am besten andere. Ich sage dir hier wie ich das sehe.

    Natürlich sollte(!) man den Atomausstieg nicht rückgängig machen, aber es ist in der Demokratie möglich. Und das gilt natürlich erst recht für Stuttgart 21.

    Das ist schon immer so gewesen und wir sind trotzdem nicht in einer Nichts-geht-mehr-Republik.

    Und wo du gerade 30 Jahre ansprichst: Der Stuttgarter Bahnhof sollte deutlich länger halten. Insbesondere, wenn man ihn ein Jahrhundertprojekt nennt. Peinlich aber, dass die „Schlichtung“ dann zu dem Ergebnis kommt, dass in Frage gestellt werden muss, ob dieser neue Bahnhof nicht viel zu schnell an seine Grenzen stößt und daher ein 9. und 10. Gleis bräuchte. DAS kann definitiv kein Jahrhundertprojekt sein, wenn es schon so schnell an seine Grenzen stößt.

    In Sachen Geld und neuer Schulden ist es natürlich dennoch ein Jahrhundertprojekt. Leider.

    Und natürlich gibt es auch andere Probleme, deshalb werden auch andere Themen angesprochen, siehe z. B. bei der grünen Landespartei, der grünen Landtagsfraktion und der grünen Gemeinderatsfraktion.

  13. Don

    1. Das ist nicht klar, sondern eine Behauptung der Gegner. Die Kosten des virtuellen Projekts K21 wurden doch bewusst niedrig gerechnet. Letztendlich doch das gleiche Vorgehen wie bei S21 vor 15 Jahren.

    2. 2009 hat mir ein grüner Abgeordneter im EU-Parlament noch erklärt, dass man grundsätzlich alles auf europäischer Ebene diskutieren sollte, das hat er auf Nachfrage nochmal bestätigt. Freut mich, dass manche Grüne mit Subsidarität jetzt etwas anfangen können. Aber was ist mit dem Konnexitätsprinzip? Brauchen wir das in dem Fall nicht?

    4. b) Die demokratischen Mehrheiten für S21 sitzen immer noch im Landtag und Gemeinderat. Das sollte man auch als Gegner mal realisieren. Die stimmen halt nicht jede Woche neu drüber ab, weil sie der Meinung sind, der gültige Beschluss ist längst gefasst.
    Es kann auch in der Demokratie nicht sinnvoll sein, alle 10 Jahre ein anderes Bahnhofprojekt durchführen zu wollen. Das wirst du doch nicht ernsthaft behaupten wollen. In der Vergangenheit wurden Entscheidungen akzeptiert, auch wenn sie der eigenen Meinung nicht entsprachen. Daher war es keine Nichts-geht-mehr-Republik.
    Ein Kopfbahnhof, in dem die Züge 20 Minuten auf Anschluss warten sollen, kann auf jeden Fall auch Jahrhundertprojekt sein.

  14. Henning

    1. Ich kenne keine Zahlen der K21-Gegner, die in Frage stellen, dass K21 plus Ausstieg aus S21 nicht günstiger wäre.

    2. Diskutieren und entscheiden ist doch was anderes. Das Konnexitätsprinzip würde bedeuten, dass die Bahn, die ihren neuen Bahnhof ja bestellt hat, auch selbst bezahlt. Wär ich voll dafür. Oder worauf wolltest du hier hinaus?

    4 b) Gerade weil es da offensichtlich eine enorme Abweichung zwischen parlamentarischer Mehrheit und Bevölkerungsmehrheit gibt, wäre es doch sinnvoll, die Bürger direkt entscheiden zu lassen. Parlamentarische Wahlen sind halt immer Abstimmungen über viele Themen gleichzeitig. Und auch bei der letzten Wahl waren ja noch längst nicht alle Wahrheiten auf dem Tisch. Vieles kam ja erst durch die „Schlichtung“ raus – oder ist es noch heute nicht. Der immer wieder gebrauchte Slogan vom „bestgeplanten Projekt aller Zeiten“ wurde ja auch erst kürzlich widerrufen.

    Und natürlich kann man nicht jede Entscheidung erst so fällen und einige Jahre später anders. Aber manchmal muss man das. Und genau so lief es auch schon in der Vergangenheit. Dieses Gerede von der Nichts-geht-mehr-Republik ist doch pure Polemik.

    Bei deinem letzten Satz hast du vermutlich ein „kein“ vergessen. Wenn 90 % der Reisenden nach Stuttgart fahren oder von Stuttgart abfahren statt durchzufahren, ist nicht so wichtig wie schnell ich durchfahre, sondern wie gut ich hin- und wegkomme.

  15. Eric

    Sehr schöner Jahresrückblick. Gut geschrieben und sehr persönlich und interessant. Ich wünsch Dir viel Glück und Erfolg bei allem was Dich in 2011 erwartet. Ich hab das Gefühl, daß dieses Jahr richtig gut wird.

    Ciao,
    Eric

  16. Don

    1. Kosten für S21 lt. Bahn: ca. 4,5 Mrd
    Kosten für K21 lt. Heimerl: 3,7 Mrd.
    Habe bisher angenommen, dass die Ausstiegskosten (ca. 1,4 Mrd. lt. Drexler) noch dazu kommen. Falls das nicht so ist, hast du Recht.

    2.a) Bestellt haben Stadt, Land, Bund und Bahn. Diese zahlen auch. Das solltest du bitte nicht verdrehen. In deinem Vorschlag bestellen Stadt und Land (per Volksentscheid), die anderen zahlen aber mit.
    b) Diskutieren habe ich als Synonym zu entscheiden verstanden, weiß nicht mehr genau den Wortlaut. Was würde es für ein Sinn machen, im Parlament über Sachen zu diskutieren, die man nicht zu entscheiden hat? Der Bundestag diskutiert auch nicht über Lehrpläne.

    4. Wie schon gesagt, ist es nun etwas spät. Was machen wir eigentlich, wenn das Volk befragt wird und sich danach die Faktenlage ändert (passiert ganz sicher)? Fragen wir dann nochmal?
    Was machen die Gegner, wenn die Volksbefragung für S21 votiert? Ändern sie dann ihre Meinung? Wird dann weiter protestiert?

    Nichts-geht-mehr-Republik ist für mich dass, wenn Menschen sagen: Diese Entscheidung passt mir nicht, ich mache eine Sitzblockade bis die Entscheidung geändert wird. Gleichzeitig wird noch behauptet, die demokratisch legitimierte Entscheidung sei undemokratisch. Politiker stacheln das ganze noch an, indem sie Halbwahrheiten verbreiten. Seit Monaten tobt der Mob in Stuttgart, an manchen Tagen sollte man einen weiten Bogen um den Bahnhof machen. Mich kotzt es schon lange an.

    Wenn ich einen Bahnhof baue, welcher als Endbahnhof gedacht ist, wird er auch als Endbahnhof benutzt. Wenn wir aber mehr Leute auf die Schiene bringen wollen, dann sollten wir Bahnhöfe auch für durchfahrende Reisende attraktiver machen, also schnelleres Durchfahren von Stuttgart anstelle von langsamerem Durchfahren. K21 ist da Gift.
    Wartezeiten beim Umsteigen sollte man durch schnellere Taktzeiten verkürzen.

  17. kevin

    Und wie kaputt 2010 war! Erst wurde hiermit genervt dann kamm die Loveparade, S21, Atomkram und den Rest hat 2010 dann vom Dioxinskandal bekommen. Bis auf die WM waren es immer nur schlechte Nachrichten hier Hiobsbotschaft da, so wie der bröckelde Euro. Passiert nichts gutes mehr oder wollen die einfach nicht drüber berichten?
    Zu S21, als ob die Bahn nicht bereits genug Bausetellen hat…

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