Markenidentität und Markenarchitektur

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Die heute aktuellen Ansätze zur Steuerung von Marken orientieren sich alle an der Markenidentität. Analog zu Menschen sollen auch Marken eine Identität bekommen, eine Persönlichkeit. Die Markenidentität ist das Selbstbild der Marke. Wie sieht sie sich selbst? Wofür will sie stehen? Womit will sie assoziiert werden?

Neben dem Selbstbild gibt es natürlich auch ein Fremdbild, das Markenimage. Wie auch Menschen haben Marken ein Image. Voraussetzung für ein Image ist natürlich die Markenbekanntheit. Wem eine Marke nicht bekannt ist, der hat auch keine Assoziationen damit. Die Assoziationen sind das Image der Marke.

Denkt ihr an Apple habt ihr automatisch bestimmte Assoziationen. Das ist kein Zufall, sondern gewollt. Nicht umsonst hat Daimler den smart als eigene Marke an den Markt gebracht und nicht unter dem Label Mercedes. Mercedes steht für teure Autos aus der Oberklasse mit viel Komfort. Der smart ist so ziemlich das Gegenteil davon. Die Marke Mercedes wäre also vermutlich verwässert worden, wenn die smart-Autos mit unter dieser Marke laufen würden. Die Assoziation von Luxus und Komfort mit Mercedes würde schwächer werden.

Das Markenimage kann eigentlich nicht direkt gesteuert werden, sondern nur indirekt. Das Image ist vielmehr das Ergebnis der Markensteuerung. Der Markenkern, also das Innerste der Markenidentität, gibt die Richtung für alles weitere vor. Der Markenkern darf nicht verlassen werden und auch die Identität insgesamt ist langfristig orientiert und somit nur sehr langsam und in kleinen Schritten änderbar. Sonst kommt es bei denen, die mit der Marke in Kontakt kommen zu Verwirrung. Wofür steht die Marke jetzt eigentlich? Gestern das, heute das.

Alle weiteren Marketing-Aktivitäten müssen sich an der Markenidentität orientieren. Nur so entsteht in den Köpfen der Öffentlichkeit ein stimmiges Bild. Es bringt wenig, eine Marke zu haben, die einfach nur bekannt ist, wenn die Frage Und wofür steht die Marke? nicht klar beantwortet werden kann.

Da ein Unternehmen allerdings oft nicht nur in einem Bereich aktiv ist, gibt es meist mehrere Marken. Es gibt die Unternehmensmarke (Name, Logo etc. des Unternehmens), aber auch Produktmarken/Einzelmarken. Dazwischen gibt es evtl. noch Familienmarken (insgesamt ist das dann die Markenarchitektur). Ich mache kurz ein Beispiel mit VW.

VW ist die Unternehmensmarke. Es dreht sich bei VW zwar alles um Autos (aha, eine Assoziation mit der Marke VW), aber innerhalb dieses Unternehmens gibt es dennoch unterschiedliche Produktfamilien mit eigenen Marken, z.B. den Golf. Aber auch Golf ist nicht gleich Golf, aber etwas konkreter ist es schon geworden. Mit VW hat man bestimmte Assoziationen, mit einem Golf noch konkretere. Aber noch konkreter wird es mit der Produktmarke TDI. Ein Golf TDI hat eben andere Merkmale als ein Golf GTI (fragt mich aber nicht welche, Autos sind nicht mein Bereich :-)).

Manche Unternehmen setzen sehr stark auf die Einzelmarken und die Unternehmensmarke steht eher im Hintergrund, z.B. Unilever mit Einzelmarken wie Magnum, Dove und Rexona. Dies nennt man dann auch House of Brands (Brand = Marke). Das gegenteilige Vorgehen nennt sich entsprechend Branded House. Hier steht die Unternehmensmarke klar im Vordergrund und die Einzelmarken stehen dahinter zurück. Manchmal kennt sie kaum jemand. Oder weiß jemand, wofür HP530 steht? Das ist mein Laptop. Hewlett-Packard als Unternehmensmarke kennt man hingegen. Zwischen dieses beiden Konzepten gibt es natürlich Mischformen.

Ich soll insbesondere über den Industriegüterbereich schreiben, also Business-to-Business (B2B), Geschäfte zwischen Unternehmen. Hier dominieren in aller Regel Unternehmensmarken. Das liegt unter anderem daran, dass die Leistungserstellung oft individuell ist. Und wenn ich für jeden Kunden eine auf ihn angepasste individuelle Lösung entwickle, was soll ich dafür extra jedesmal eine Marke aufbauen, nur für den einen Kunden?

Also konzentriert man sich auf die Unternehmensmarke, die entsprechend abstraktere Werte vorleben muss, da sie ja ein breiteres Spektrum abdecken muss als eine Einzelmarke. Auch in Bereichen mit hoher Innovationsrate und entsprechend kurzen Produktlebenszyklen herrscht eine Dominanz von Unternehmensmarken vor.

Dies sieht man z.B. im Handy-Bereich ganz gut. Nokia ist eine sehr bekannte Marke, die Einzelbezeichnungen der Handys sind wiederum sehr viel weniger bekannt – und in wenigen Jahren auch schon überhaupt nicht mehr aktuell. Erinnert ihr euch noch an das 3210? Man merkt schon an diesen Nummernbezeichnungen, dass hier nicht viel Wert auf den Aufbau einer Einzelmarke gelegt wird.

Soweit für dieses Mal. Alles klar geworden? War’s interessant? Gibt’s Fragen? Kritik? Anmerkungen? Ergänzungen?

Dieser Beitrag ist der erste in der Reihe Steuerung von Marken. Weitere werden folgen und werden dann noch untereinander verlinkt.

Dieser Beitrag hat 12 Kommentare

  1. juergen_p

    Sehr schön und klar aufbereitet. Da kommen wieder Erinnerungen an mein eigenes Marketingkommunikation-Studium – und dabei ist es gar nicht mal so lange her …!

  2. Till

    Den Ansatz, uns was zu erzählen, finde ich gut. Inhaltlich zwei Anmerkungen. Erstens kapiere ich nicht, was das Selbstbild einer Marke ist: wer ist die Marke, wenn sie selbstreflexiv sein kann? Und zweitens zum Nokia-Beispiel: steckt da wirklich ne einheitliche Strategie dahinter? Je nach Modell scheint mir die Produktmarke unterschiedlich relevant zu sein, zB 8110 oder NGAGE.

  3. Henning

    @juergen_p
    Danke! 🙂

    @Till
    Das Selbstbild der Marke kommt natürlich vom Unternehmen bei einer Unternehmensmarke und ggf. von einer Abteilung bei einer Produktmarke. Im Zweifel kommt es von der Marketing-Abteilung oder der Geschäftsleitung. Eigentlich sollte die Markenidentität möglichst weit oben angesiedelt sein, schließlich müssen sowohl Führung als auch Mitarbeiter die Werte einer Marke leben.

    Das Nokia-Beispiel war aus dem hohlen Bauch heraus. Ich bin mir aber sicher, dass da eine Grundstrategie dahintersteckt, die Unternehmensmarke in den Vordergrund zu stellen. Es kann natürlich durchaus sein, dass einzelne Produktmarken mal mehr in den Vordergrund rücken als andere. Dennoch wird NGAGE wohl kaum zu einer bekannteren Marke werden als Nokia selbst. Anders als Magnum und Unilever. Magnum ist mit Sicherheit bekannter als Unilever.

  4. Henning

    Noch ein Nachtrag @ Till:
    Die Markenidentität beantwortet die Frage Wie wollen wir sein? und das Markenimage die Frage Wie werden wir wahrgenommen?. Selbst wenn die Marke so ist, wie sie sein will, muss sie ja nicht zwangsläufig so wahrgenommen werden. Ziel ist es natürlich, eine möglichst große Übereinstimmung zwischen Markenimage und Markenidentität herzustellen, denn wenn mit einer falschen Erwartungshaltung an die Marke herangegangen wird und sie diese Erwartungen nicht erfüllen kann, leidet ihr Image sehr schnell darunter.

    Nur ein tolles Image aufzubauen ist also zu kurzfristig gedacht. Langfristig muss auch etwas dahinterstecken, sonst geht das Image wieder abwärts.

  5. Till

    @Henning: dass das „wir“ die Abteilung ist, ist logisch. Nur hast Du oben sinngemäß geschrieben: „die Marke sieht sich selbst“ — für BWL ist das vermutlich eher ungewöhnlich, aber in der postkonstruktivistischen Soziologie Bruno Latours z.B. wäre es durchaus eine tragfähig Aussage, dass eine Marke sich selbst sieht. Deswegen meine Nachfrage. Haarspalterischerweise müsste es dann oben eigentlich heißen: Markenidentität = Wahrnehmung der Marke durch die dafür zuständige Organisationseinheit (wobei dann auch nochmal zu unterscheiden wäre, wie diese Organisationseinheit die Marke tatsächlich sieht, und wie sie sie sehen soll), und Markenimage = Fremdwahrnehmung der Marke.

  6. Henning

    @Till
    In der Literatur (hier gerade vorliegend Meffert/Burmann/Kirchgeorg: Marketing (10. Aufl., 2008, S. 360) steht wörtlich „Selbstbild der Marke“. Auf S. 361 steht als Definition von Markenidentität: „Die Markenidentität umfasst diejenigen raum-zeitlich gleichartigen Merkmale der Marke, die aus Sicht der internen Zielgruppen in nachhaltiger Weise den Charakter der Marke prägen.“

    Gerade wenn Unternehmensmarken im Vordergrund stehen, ist ja auch kaum noch zwischen Marke und Unternehmen zu unterscheiden. Gerade wenn ja das Verhalten des Unternehmens das Image der Marke beeinflusst. Eigentlich ist die Marke ja mehr oder weniger nur der Name des Unternehmens (wobei eine Marke ja auch in Bild-, Duft- oder Soundform existieren kann, aber belassen wir’s der Einfachheit halber mal beim Namen).

    Wenn ich jetzt sage „Die Identität von Till ist Tills Selbstbild“, dann müsste ich deiner Ansicht nach sagen „Die Identität von Till ist die Wahrnehmung von Till durch den dafür bei ihm zuständigen Teil“. Wenn ich „Till, komm mal her“, meine ich ja nicht, dass dein Name herkommen soll, sondern du als Person.
    Wird klar, was ich meine?

    @all
    Trotz unserer detailverliebten haarspalterischen Diskussion nicht scheuen, auch völlig unwissenschaftliches Feedback zu geben. Ich warte noch auf Meinungen der anderen, die was zum Thema lesen wollten.

  7. Kittyluka

    Mh… Das klingt einleuchtend und ist ja soweit auch bekannt, aber eine Anmerkung hätte ich für dich noch:

    Der Golf TDI ist die männliche Muttikutsche (gute Leistung, kleines Auto, großer Kofferraum), Der GTI das weibliche Papamodell (Sportlich aber eben ein Golf).

    Ich habs ja auch nicht so mit Autos, aber gerade bei VW sollte man das wissen 😉

    Ich fände es ja mal interessant rauszufinden, ob man selber mit der Marke genau das in Verbindung setzt, was sich die entsprechende Marketingabteilung damit gedacht hat…

  8. Till

    @Henning: Nö. Und zwar deswegen, weil ich davon ausgehe, dass eine Person sich als ganzheitliches Subjekt empfindet, und sich — Stichwort Identität — tatsächlich mit einem Namen identifiziert. Neurophysiologisch sieht das nochmal ganz anders aus, aber darum geht’s hier nicht. Bei einem Kollektivakteur Unternehmen kann ich mir gerade noch vorstellen, dass sich das Unternehmen so mit dem Namen des Unternehmens — der Marke — identifziert, dass gesagt werden kann, dass eine Marke dafür Identität darstellt oder herstellt. Soweit okay.

    Aber bei einer Produktmarke sehe ich das nicht. Aber ich gestehe gerne zu, dass das nicht dein Problem ist, sondern eines von möglicherweise unlogischen Lehrbüchern, denen die Metaphern durchgehen, und die dann plötzlich so tun, als könnten Marken handeln, nämlich sich selbst wahrnehmen.

  9. Till

    Mir ist gerade noch eine kürzere Formulierung eingefallen, warum ich das unsinnig finde. Die Formulierung „Die Marke XYZ sieht sich selbst als …“ entspricht nämlich — in deinem Beispiel — nicht der Formulierung „Die Person Till sieht sich selbst als …“, sondern „Der Name Till sieht sich selbst als …“. Und das ist halt Blödsinn.

  10. Henning

    @Till
    Hast gewonnen. 🙂

    @Kittyluka
    Gerade bei VW sollte man das wissen? Öhm. Wieso?
    Ob die Leute mit einer Marke das verbinden, was das Unternehmen wollte, ist Bestandteil der Marktforschung. Dazu gibt’s definitiv Material.

  11. Gabriel

    Schön leicht erklärt. Gefällt mir sehr gut. Ein besonderes Tool zum Aufbau und zur Stärkung der Markenidentität wäre zum Beispiel das Markenbuch, in dem, das Unternehmen gesteuert Geschichten von sich erzählen kann.

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