Silvana entzaubert sich selbst

Gestern Abend war ich im Bett mit Silvana. Silvana Koch-Mehrin. Im Bett. Friedrichstraße 23A in Stuttgart, das ist ein Club oder auch Lounge wie sie es selbst nennen. Ob die FDP jetzt auf Gags dieser Art spekuliert hat – kann sein, kann auch nicht sein. Sie nannten es jedenfalls „Night-Talk mit Silvana“.

Ich bin durch Zufall dort hingeraten – durch die Stuttgarter Jusos. Nach meinem langen Tag in der Landesbibliothek saß ich ein paar Minuten in der Sonne am Schlossplatz und treffe nen Juso. Dann kamen kurz flyerverteilend ein paar Julis vorbei, die Werbung für die Veranstaltung machten. Der Juso wollte mit anderen Jusos da eh noch hin und da deren Treffpunkt eine beliebte Draußen-Kneipe war („Palast der Republik“), die eh auf meinem Weg lag, bin ich halt mit. Tja, wie es dann so ist: Man verquatscht sich, eine Stunde war ruckzuck rum und dann bin ich auch mit auf die FDP-Veranstaltung mit Silvana. Waren dann eh nur noch ein paar Meter.

Um es dann jetzt mal ein wenig abzukürzen: Sie kam. Aber zu spät. Ich twitterte dann, dass sie vermutlich ausnahmsweise mal im Parlament war (kam gut an, vier Retweets). Da gibt es ja derzeit eine für die FDP sehr unschöne Debatte über ihre Anwesenheitszeiten und einen eventuellen Meineid ihrerseits.

Jedenfalls war sie dann da und nach einer kurzen Begrüßung von Tom Eich führte der Juli-Landesvorsitzende Leif Schubert dann auf der Bühne ein sehr oberflächliches Gespräch zu Europa mit Silvana Koch-Mehrin.

Ich muss ehrlich sagen: Für mich wurde sie dadurch total entzaubert. Ich hatte einmal eine Rede von ihr beim Dreikönigstreffen der FDP gehört, die zumindest rhetorisch bei mir nen ganz guten Eindruck hinterlassen hatte. Sie kommt ja auch sonst medial eigentlich sehr gut rüber.

Nichts davon an dem Abend. Okay, sie sieht tatsächlich so gut aus wie auf den Plakaten. Aber rhetorisch war es doch ganz klar untere Liga. Das ist man sonst eher von jungen Kandidaten um die 20 oder jünger gewohnt. Bei einer Antwort guckten ein Juso und ich uns an und waren uns sofort einig: Das klang wie von ner 18-jährigen Schülerin. Wortwahl, Tonfall, alles.

Inhaltlich blieb’s sehr vage, was auch einige Julis in Nachgesprächen bestätigten. Ebenso wie, dass sie rhetorisch nicht besonders ist. Auch wenn einer immerhin meinte, dass sei einer ihrer besseren Abende gewesen.

Auf die erwartungsgemäß kommende Frage nach ihren Abwesenheitszeiten Anwesenheitszeiten im EU-Parlament – offensichtlich von einer FDP-Sympathisantin gestellt, die da einfach mal ein Statement von Silvana haben wollte – verwies eben jene einfach nur auf ihre Website. Da könne man jede einzelne Sitzung nachlesen und ihre Zahlen seien belegt.

Aber da war sie für mich eh schon völlig entzaubert. Überhaupt hörten sehr viele ihr gar nicht zu.

Ein sehr netter Abend war’s aber doch. Denn nette Leute haben die Julis ja schon und ebenso die Jusos von denen auch ne gute Handvoll da war. Zwei versprengte JUler habe ich auch gesichtet. Naja, und da sind eben im Laufe der Jahre doch einige flüchtige und auch gute Bekanntschaften über die Parteigrenzen hinweg entstanden, so dass der Abend immer länger wurde.

Mit Händen und Füßen (das ist eigentlich nicht mal übertrieben) konnte ich mich dann gerade so dagegen wehren, den restlichen Abend (so ab 1 Uhr) auch noch weiter mit FDPlern und Julis zu verbringen. Nett gewesen wär’s bestimmt, aber die Diplomarbeit will ja auch gemacht werden.

Und so fuhr mich dann eine langjährige Juli-Bekannte noch nach Hause. Sie wohnt praktischerweise im gleichen Haus wie ich. Ein Teil der anderen zog weiter in eine Schwulen-Kneipe. Ja, doch. Auch politisch gibt es ein paar Anknüpfungspunkte – wenn auch meist viel mehr mit den Julis als mit der FDP.

So überrascht es auch nicht, dass ich schon seit Jahren die Julis immer wieder über ihre FDP-Kandidaten schimpfen höre. Bis hin zur Wahlkampfverweigerung ging das schon und auch diesmal vergeben viele Julis ihre Stimmen offenbar nicht komplett auf der FDP-Liste – was sie ja persönlich sympathisch macht, die FDP aber eben gerade nicht. Wenn schon die Insider teilweise Probleme haben, überhaupt fünf wählbare Leute auf der FDP-Kommunalwahl-Liste auszumachen, dann sieht’s mit dem Personal wohl ziemlich schlecht aus.

Einzelnen Julis drücke ich da für Sonntag durchaus die Daumen. Die FDP wird ja schon irgendwie mit ein paar Leuten vertreten sein und da wäre es aus grüner Perspektive durchaus wünschenswert, wenn diese Rentner-Fraktion da mal etwas verjüngt wird.

Auch Silvana wird wohl ins Europaparlament einziehen und dann hin und wieder sogar persönlich anwesend sein. Auch wenn ihre Wahlkampf-Sprüche á la Öko-Diktatur doch eher EU-feindlich klingen. Gerade beim Thema Umwelt verweisen viele ja oft darauf, dass man sowas nicht im nationalen Alleingang machen sollte: voila, nun haben wir Europawahl. Nächsten Sonntag.

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. John Dean

    (Vielleicht taucht hier ja noch der nette Medienrechtsanwalt von Sylvana auf, Herr Graef, um sich über die „Schmähkritik“ aufzuregen…)

    Schönen und herzlichen Dank von mir für die geschilderten Eindrücke an Henning!

    Mich würde mal interessieren, ob die ihm bekannten, FDP-kritischen Julis mehr in Richtung Wirtschaftslibertarismus tendieren (ähnlich Antibuerokratieteam & Friends) oder in andere Richtungen, eher fern eines Wirtschaftsliberalismus.

  2. Henning

    Die tendieren teilweise etwas Richtung Sozialliberalismus, sind aber oft auch einfach – ich sag jetzt mal – liberaler als die FDP erlaubt. Aus Richtung Julis kam ja z.B. auch massive Kritik als die FDP die Reduktion des Meisterzwangs nicht mittragen wollte.

    Die Julis von denen ich da sprach stört oft auch die einseitige Ausrichtung der FDP an der Wirtschaftspolitik.

    Ich sag’s mal so: eine Ampelkoalition mit den Julis wäre sicher viel leichter als mit der FDP, die ja am Ende meist doch in Klientelpolitik hängenbleibt statt wirklich den Liberalismus im Parlament zu vertreten.

    Dazu kommt eben, dass vielen Julis ökologische und soziale Aspekte in der FDP zu kurz kommen – mal ganz abgesehen vom Personal. Auch dass Silvana jetzt mit Anwälten versucht ihre Ansichten über die Präsenz oder Nicht-Präsenz im EU-Parlament durchzusetzen hat dort ziemliches Entsetzen ausgelöst – auch wenn sie sie insgesamt offenbar sehr schätzen.

    Das sind so meine Eindrücke aus vielen Gesprächen mit verschiedensten Julis. Ich war doch mit „ihm“ gemeint, oder?

  3. John Dean

    Ups! („ihm“ klingt ja doof)

    Ja, ähm, dieses „ihm“ war ein gedankliches „Dir“. Schönen Dank für die Antwort. Meine Vermutung, dass bei den Julis nicht selten „Erzliberale“ zu finden sind, hast Du bestätigt, und Du hast mich überrascht, dass sich da überhaupt noch Sozialliberale tummeln.

    Das verblüfft mich wirklich. Die müssen doch eigentlich heidenwütend sein, dass nicht ein einziger Bundestagsabgeordneter, kein einziger EU-Parlamentär und eigentlich auch kein Landtagsabgeordneter diese Richtung vertritt.

    Was hält die in der FDP?

  4. Henning

    Auch wenn sozialliberal als Etikett vielleicht ein bisschen übertrieben war (aber auch nur ein bisschen), kann ich dennoch nur sagen: Das frage ich mich auch dauernd.

    Ich glaub, was man bei den Julis definitiv lernt, ist Frustrationstoleranz. Wegen der Mutterpartei.

    Und dann hüpft da der eine oder andere Gemeinderatskandidat rum und man denkt sich wirklich „Oh mein Gott!“ – und da sind die Inhalte nicht mal mitberücksichtigt.

  5. David

    Du brauchst DIch doch nicht zu rechtfertigen wegen eines Abends mit Silvana.

    Dennoch: Danke für die Schilderung; ist ja eigentlich klar, daß eine Partei mit nicht ganz so vielen Überfliegern nicht ihre besten Pferde nach Brüssel schickt…

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