Landesvorstand ade!

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Dem neuen grünen Landesvorstand in Baden-Württemberg gehöre ich nicht mehr an. Vier Jahre war ich dabei, wenn es um Spitzenkandidaten, Wahlprogramme oder Parteifinanzen ging. Aber zur Demokratie gehört das nicht gewählt werden genauso dazu wie das gewählt werden. Naturgemäß macht letzteres mehr Spaß, aber heute ist nun eben ersteres passiert.

An sich war es ein sehr schöner Parteitag. Mir fallen kein Beschluss und keine Wahl ein, die mich überrascht haben – bis auf die eine Wahl der männlichen Vertreter im Landesvorstand. Mit 47 Stimmen landete ich auf dem letzten Platz bei 13 männlichen Kandidaten für acht Plätze.

Kein anderes Thema hat den Parteitag so beherrscht wie die Piraten. Doch statt deshalb nun erst recht die Netzpolitiker in diesem Gremium wiederzuwählen und ggf. zu stärken, wählt man einen von beiden raus. Die ungeschickte Reihenfolge von Buchstaben im lateinischen Alphabet führte leider dazu, dass beide Netzpolitiker direkt hintereinander redeten – und ich eben als zweiter.

Ob es nun daran lag (wie manche vermuteten) oder an der Rede – zu der ich sowohl sehr positives, wie auch leicht kritisches Feedback bekommen habe – oder an meiner Arbeit die letzten zwei Jahre, ich weiß es nicht. Eine Enttäuschung ist es natürlich. Aber letztlich ist der Parteitag der Souverän und er kann entscheiden, wie er möchte und gewählt zu werden ist eben keine Selbstverständlichkeit.

Gerne hätte ich weitergemacht, aber nun erinnere ich mich einfach an bessere Tage – zum Beispiel die erste Wahl in den Landesvorstand mit 111 Stimmen an Platz zwei – und versuche einfach, das Mehr an Freizeit zu genießen.

Ich wünsche nun dem neuen Landesvorstand viel Erfolg und viel Freude bei der Gestaltung in dieser wunderbaren Partei. Der alte Landesvorstand hat uns in die führende Rolle der Regierungsverantwortung im Land gebracht. Ihr habt nun die Aufgabe in konstruktivem Dialog mit Landesregierung und Landtagsfraktion die erste Halbzeit dieser Regierung zu gestalten.

Was ich nun machen werde, bleibt erstmal offen. Erstmals seit November 2002 habe ich nun keinerlei Funktion bei den Grünen, da ich mich zuletzt nur noch auf das Landesvorstandsamt konzentriert hatte. Vielleicht tut eine Pause ganz gut, vielleicht ergeben sich neue Aufgaben. Vielen Dank jedenfalls bei allen, die mich vor und nach der (Nicht-)Wahl unterstützt haben.

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Benni

    Liegt das nicht eher am Strömungsproporz? Kenne nur andere Parteien, aber Landesvorstände werden ja selten nur durch Reden oder spontante Entscheidungen bestimmt… 😉

  2. Tim

    Hallo Henning,
    zwar haben viele die Piraten irgendwie genannt, substanzielles zu dem Thema „Piraten“ hat aber kaum jemand zu sagen gehabt. Im Gegenteil hatte man doch eher das Gefühl das die meisten irgendwas nachplappern, was gerade so an schlechten Analysen durch die Medien geistert.
    Was die ganze Piratendebatte mit dem Anteil der Netzpolitiker im Vorstand zu tun haben soll, verstehe ich nicht. Wer die Piraten und ihren Erfolg auf das Thema Netzpolitik eindampft, der hat mE die Piraten nicht verstanden.
    Mein Eindruck von der Wahl ist, dass sehr viel an deiner Rede lag, die nicht überzeugend war, der es an Bildern fehlte. Schlecht war auch, dass Du nicht zum Ende gekommen bist. Jörg hingegen hat eine richtig gute Rede gehalten mit lebendigen Bildern und viel Drive – eine klasse Übersetzung von Netzpolitik auch für Nichtnetzpolitiker.
    Gottseidank ist politische Arbeit in unserer Partei nicht an Ämter gebunden. Die Partei inhaltlich weiterzuentwickeln, dazu gibt es ja auch als einfaches Mitglied viele Möglichkeiten.

  3. Henning

    @Benni
    Das spielt natürlich auch mit rein. Meine Beobachtung ist aber, dass die Gebundenheit an Flügel unter den Delegierten abnimmt. Das heißt, es gibt nach wie vor Flügeltreffen und dazu passende Personenunterstützung, aber sie hat meiner Ansicht nach nicht mehr dieselbe Wirkung wie noch vor fünf oder zehn Jahren.
    Und gerade bei einem solchen Neumitgliederboom wie wir ihn haben, sind natürlich auch bei den Delegierten Neulinge dabei und die haben gar nicht viele andere Möglichkeiten als anhand von schriftlicher Bewerbung und der Rede zu entscheiden.

    @Tim
    Danke für dein offenes Feedback (zur Rede und auch sonst)! Die Rede würde ich ja selbst gerne mal sehen und hören, dann kann ich diesen Aspekt vielleicht auch etwas besser einschätzen.
    Aber dir geht es ja auch um die Inhalte der Rede: Stimmt, sie war nicht so bildreich wie z.B. bei Jörg Rupp direkt davor. Das hätte ich besser machen können.

    Was die ganze Piratendebatte mit dem Anteil der Netzpolitiker im Vorstand zu tun haben soll, verstehe ich nicht. Wer die Piraten und ihren Erfolg auf das Thema Netzpolitik eindampft, der hat mE die Piraten nicht verstanden.

    Jein. Ich habe Netzpolitik in meiner Rede ja sehr weit gefasst und hier vor allem von gesellschaftlichen Veränderungen und Forderungen nach Transparenz, Dialog und Beteiligung gesprochen. Dazu habe ich weitere Aspekte von Netzpolitik eingebracht, wie z.B. wirtschaftliche und öklologische.
    Ich denke, wenn man Netzpolitik so versteht, dann kann man die Piraten darauf „reduzieren“. Denn es ist dann eigentlich kein Nischenthema mehr, sondern ein Querschnittsthema durch alle Bereiche. Man kann sich natürlich zu Recht fragen, ob man das dann noch Netzpolitik nennen sollte. Klar.

    Gottseidank ist politische Arbeit in unserer Partei nicht an Ämter gebunden. Die Partei inhaltlich weiterzuentwickeln, dazu gibt es ja auch als einfaches Mitglied viele Möglichkeiten.

    Ja, aber natürlich ist das was ganz anderes. Alleine schon vom Informationsfluss her. Und auch wenn Netzpolitik bei mir die letzten Jahre immer ganz oben auf der Agenda stand, so wollte ich mich dennoch nie völlig auf ein Thema beschränken. Nun schauen wir mal, was sich ergibt. Möglichkeiten gibt es viele, da hast du völlig Recht.

  4. Ygriega

    Henning, wirklich schade, dass es mit der Wahl nicht geklappt hat. Der vergrößerte Landesvorstand hätte Dich in der Tat gut gebrauchen können!

    Trotzdem: Gute Einstellung! Schlaf ein paar Tage drüber, es gibt so viele Möglichkeiten, sich einzubringen und/oder seine Freizeit zu gestalten. 🙂

  5. Tim

    „Transparenz“, „Beteiligung“, „Dialog“ – ich drücke es mal überspitzt aus: Das ist Politikersprech und in diesem Stil gab es viel zu viele Reden auf dem Parteitag. Die Piraten wurden mE vor allem gewählt, weil sie bislang noch nicht dieses glatte Politikersprech haben, sondern irgendwie unverbraucht wirken und klare Ansagen (Recht auf Rausch! Trennung von Staat und Kirche! BGE! Kostenloser Nahverkehr! usw.) gemacht haben. Wenn Du schreibst, dass dich keine Wahl und kein Entschluss überrascht haben, dann drückt das ein Problem aus: Wir werden langweilig. Überrascht hat mich eines: Die spärliche Bewerberlage bei fast allen Wahlen (bis auf die Offenen Plätze im Parteirat). Sicher: Regierung und Fraktion haben viele Talente aufgesogen, aber ist es nicht erscheckend, wie schwach die Bewerberlage bei vielen Posten war? Dass gegen Chris Kühn niemand kandidiert, kann ich ja verstehen, er hat einen Superjob gemacht. Aber keine Gegenkandidatur auf dem neuzubesetzenden Frauenplatz? Fand ich sehr irritierend.
    Der Wahlerfolg der Piraten hat meines Erachtens recht wenig damit zu tun, dass die Grünen irgendetwas inhaltlich verschlafen haben. Unsere Position zum Grundeinkommen ist aktuell eben eine andere als die der Piraten in Berlin – aus guten Gründen (auch wenn ich persönlich eine bedingsloses Grundeinkommen vertrete). Gleiches gilt zum Thema Papstbesuch/Verhältnis Staat-Kirche, was im Vorfeld des Papstbesuchs vielleicht garnicht so unwichtig war und erklären könnte, weshalb die Piraten im konfessionslosen Osten besser abgeschnitten haben als im Westen. Als kleine Volkspartei sehen wir manche Sachen differenziert und haben immer auch (Formel-)kompromisse im programmatischen Gepäck…
    Ich bin ja mal gespannt, wie sich unter dem Druck des Mediensystems und der parlamentarischen Arbeit die Piratenpartei verändert und welche Klärungsprozesse das nach sich zieht. Denn zu ganz zentralen Frage wie Krieg und Frieden kann man keine Formelkompromisse finden und eine Positionierung auf die lange Bank schieben.

  6. Tichodroma

    Die GRÜNEN werden beim Thema Netzpolitik so lange nicht mit den Piraten mithalten können, wie es in der Partei keine kritische Diskussion über das sog. “ Televoting“ gibt. Wie kann man nur ein völlig intransparentes System, das keinerlei Nachprüfbarkeit der Ergebnisse erlaubt und dessen Sicherheit auf dem Prinzip „Security by Obscurity“ basiert, für Vorstandswahlen einsetzen? Nehmen das die GRÜNEN einfach alles so hin? Siegt im Zweifelsfall die Bequemlichkeit? Sehr schade.

  7. Till

    @Tim: Ich fand einige Wahlen überraschend – nicht überrascht hat mich allerdings, dass es keine Kandidatur gegen unsere neu gewählte Landesvorsitzende gab.

    @Henning: Ich glaube, unsere Partei hat ein ziemlich kurzes Gedächtnis. Darin liegt ein Risiko (z.B. bei einem Parteitag nach einer Phase arbeitsbedingter Reduzierung der Parteiarbeit), aber auch die Chance, dass jemand, der/die sich inhaltlich aktiv einbringt und das auch rüberbringt, auch schnell wieder in Amt & Würden gesetzt wird. Erbhöfe gibt es keine – und das ist auch gut so.

  8. test

    @Tim: Es wäre echt schade, wenn Langweiligkeit zum Gradmesser für erfolgreiche Politik werden würde.

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