Hochschule 2012: 16.000 neue Studienanfänger
Wie schon berichtet, will das Land 16.000 neue Studienanfängerplätze schaffen. Das ist gut so. Baden-Württemberg ist damit tatsächlich das erste Land, das auf die stärker werdenden Abi-Jahrgänge und den doppelten Abi-Jahrgang reagiert.
16.000 neue Studienplätze. Jedes Jahr. Klingt erstmal sehr viel, aber trotzdem weiß man nicht, ob das reicht. Dabei wird von einer Studierquote von 75 % ausgegangen. Das heißt, dass 75 % eines Abiturjahrgangs ein Studium aufnehmen. Geschickt formuliert hieß es vom Ministerium sinngemäß: „Damit halten wir uns an das, was die KMK (Kultusministerkonferenz) schätzt. Die geht von 75-85 % Studierneigung aus“. Ähm, ja. Man ist gerade noch so in deren Korridor drin. Man weiß also gar nicht, ob die Studienplätze ausreichen werden.
Zweitens will das Land nur die Hälfte des Geldes selbst zuschießen. In der Spitze nämlich 150 Mio. EUR. 2007 beginnt es mit 20 Mio. EUR, 2008 dann 40 Mio. EUR. Die andere Hälfte sollen die Unis aus ihren Effizienzreserven beisteuern. Effi…was? Die Unis und FHs im Land fahren längst Überlast. Einer der FH-Rektoren sagte so schön: „Wir hatten in den letzten Jahren 30 % weniger Mittel und haben 30 % mehr Studierende aufgenommen“. Klar, es gibt sicher hier und da kleine Reserven, aber in Höhe von 150 Mio. EUR jährlich?
Ja, die Wirtschaft könne ja auch ihren Teil beisteuern. Klar, gerne. Aber dummerweise will die wohl gar nicht so richtig. Und wenn überhaupt, dann nur für ganz konkrete Vorhaben und auf keinen Fall allgemein in einen Fonds, der dann allen möglichen Fächern zugutekommt.
Hm, woher dann? Ach ja, der Bund… hm, ja, bei der Föderalismusreform war noch alles, was der Bund im Bereich Bildung machen wollte ganz, ganz böse. Aber jetzt ist das anders. Hochschule 2012 ist doch eine so große gesamtgesellschaftliche Herausforderung, da sollte auch der Bund Geld locker machen mit einem Hochschulpakt 2020. Jetzt plötzlich will man Geld vom Bund.
Drittens frage ich mich, wozu man Dr. Gisela Meister Scheufelen vom Statistischen Landesamt eingeladen hatte. Ich meine, sie hat toll präsentiert und vor allem waren die Informationen sehr interessant. Aber wozu lädt man sie ein, wenn man ihre Infos weitgehend ignoriert? Der Trend geht ganz deutlich zur Dienstleistungsgesellschaft und dort arbeiten auch immer mehr Menschen. Baden-Württemberg hängt der Entwicklung aufgrund starker Industrie zwar noch etwas hinterher, aber auch hier ist der Trend deutlich. 65 % der Arbeitnehmer arbeiten in der Dienstleitungsbranche, nur noch 33 % in der Industrie (Zahlen von 2005).
Dennoch will das Land zu großen Teilen ingenieurwissenschaftliche Studiengänge ausbauen. Geisteswissenschaftler, die bei Dienstleistungen eine große Rolle spielen, kommen sehr wenig vor. Besonders extrem ist es in Stuttgart. Hier sind von 1000 Erstsemesterplätzen 20 für Politologie und 60 für technisch orientierte BWL vorgesehen. Der Rest geht in den Bereich Mathematik/Naturwissenschaften/Technik.
Und viertens – wie schon im ersten Beitrag geschrieben – weiß man ja gar nicht, ob die Studenten auch diese Fächer auswählen werden. Zum Glück haben wir mit Artikel 12 die Berufsfreiheit im Grundgesetz verankert. Wie soll die gewährleistet sein, wenn das Land überhaupt nicht die studentische Nachfrage berücksichtigt?
Studentische Beteiligung war ohnehin mager an diesem Prozess. Beim Auftaktkongress im Landtagswahlkampf war für alle Podien zusammen ein Student vorgesehen. Dort hatte Oettinger mir noch zugesagt, bei den regionalen Dialogen ebenfalls Studenten mit einzubeziehen. Nach dem, was ich gehört habe, war das leider nicht der Fall.
Man könnte das alles auch ganz anders machen. Aber ich bin – ganz ehrlich – froh, dass sich überhaupt was tut. Wir trauten ja alle Anfang Mai unseren Ohren nicht als Oettinger uns was davon erzählte, dass es steigende Mittel geben würde. Zumal er da gerade gut Wetter machen wollte, weil wir gegen die Studiengebühren protestierten.
Apropos… es ist nun sehr wahrscheinlich, dass wir statt Studiengebühren zur Verbesserung der Lehre nun Studiengebühren und eine Verschlechterung der Lehre haben werden, da ja nur die Hälfte der Studienplätze vom Land finanziert wird. Der Rest soll ja… genau, Effizienzreserven.