Henning Schürig - Landtagskandidat im Wahlkreis Göppingen (Bündnis 90/Die Grünen)
Moment mal
Lernen wird Glücksspiel


Henning Schürig (22) studiert BWL an der Uni Stuttgart. Seit November 2002 ist er Vorsitzender der Grünen Jugend (GJ) Stuttgart.

Von Henning Schürig

Bildung ist eine der grundlegendsten Staatsaufgaben und genießt in politischen Reden daher hohe Priorität. Die Realität sieht leider oft anders aus, so zum Beispiel auch an den Stuttgarter Schulen.

Zum einen brauchen Schüler zum Lernen ein angenehmes Umfeld, in dem sie sich gerne aufhalten. Außerdem ist eine ausreichende Anzahl an Arbeitsgeräten wie Computern und Tageslichtprojektoren zwingend notwendig.
Wenn schon die Toiletten unbenutzbar sind, weil sie total verdreckt oder dauernd gesperrt sind, Spülungen nicht funktionieren, Trennwände kaputt sind, nie Seife und oft kein Papier da ist, dann ist das bereits eine schlechte Voraussetzung für gutes Lernen.

Wenn außerdem wichtige Arbeitsgeräte fehlen oder schlicht defekt sind, dann wird der Unterricht oft zur Nebensache. Die Hauptsache ist es dann, einen funktionierenden Tageslichtprojektor zu finden. So wird Lernen zum Glücksspiel. Das richtig große Los hat man gezogen, wenn man dann notgedrungen Kopien verteilen will und auch der Kopierer nicht funktioniert.

Immer mehr Schüler halten ihre Referate mit Hilfe von Computern und Video-Beamern. Die Schule hat allerdings meist nicht genügend Geräte, um die Klassen daran auszubilden. Und dafür, dass Schüler sie außerhalb des Unterrichts für Referaterstellung benutzen, sind sie schon gar nicht vorgesehen. Wenn man es dann doch irgendwie schafft, muss man sich rechtzeitig anmelden, um den Schul-Beamer zu bekommen. Den Umgang mit den Neuen Medien zu lernen, wird zwar als äußerst wichtig anerkannt - Geld darf es jedoch nicht kosten.

Dazu wird das Engagement der Schüler in Arbeitsgemeinschaften drastisch gebremst. Seit Hausmeister nicht mehr nur an einer Schule beschäftigt sind, sondern übergeordnet von der Stadt verschiedenen Schulen zugewiesen werden, beklagen sich Schüler darüber, dass sie außerhalb der Schulzeit offenbar unerwünscht sind. Um samstags an einem Projekt wie der Schülerzeitung zu arbeiten, müssen Anträge bei der Stadt gestellt werden, Sonntage sind tabu und nach 18 Uhr sind Schüler auch werktags nicht erwünscht. Auch sonst fehlen die früher immer präsenten Hausmeister als Helfer in vielen kleinen Notsituationen.

Dass schon die Grundausstattung der Schulen mit benutzbaren Toiletten, Projektoren, Kopierern und Hausmeistern dermaßen krankt, ist erschreckend. Aber auch den neuen Anforderungen in der heutigen, hochtechnisierten Welt müssen die Stuttgarter Schulen gerecht werden, wozu dringend mehr Geld erforderlich ist.

Es wird geredet über Bildung, über Zukunft und über ein kinderfreundliches Stuttgart. Doch eine Stadt, die ihre Schulen in diesem Zustand lässt, kann sich niemals kinderfreundlich nennen. In den Schulen wird Stuttgarts Zukunft ausgebildet. Stuttgarts Gegenwart scheint das wenig zu interessieren.

Quelle: Stuttgarter Zeitung, 04.02.2004, Nr. 28

Henning Schürig (Januar 2004)
Das dazu veröffentlichte Foto

Info
Dieser Artikel erschien in der Serie "Moment mal" in der Stuttgarter Zeitung in der junge Menschen zur Politik zu Wort kommen.

 

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