"Die
Reform ist eine Mogelpackung"
In Göppingen bildet sich eine Elterninitiative gegen das
achtjährige Gymnasium
GÖPPINGEN. Im Kreis Göppingen formiert sich unter den
Eltern Widerstand gegen das achtjährige Gymnasium (G 8).
Sie haben eine Initiative gegründet mit dem Ziel, neue Lernformen
in die Gymnasien zu bringen und die Stundenpläne zu entrümpeln.
Von Klaus Nonnenmacher
"Das ursprüngliche
Konzept für das G 8 war ja noch akzeptabel. Die Umsetzung
ist aber eine Mogelpackung", kritisieren Susanne Meyer-Nolte
und Barbara Berger. Die beiden Mütter haben Kinder im Gymnasium,
und sie sorgen sich um die Qualität. So wie es zurzeit
an den Schulen laufe, gehe es nur um die Verkürzung der
Schulzeit, nicht um eine inhaltliche Reform. "Klasse fünf
und sechs sind keine Orientierungsstufen mehr, sondern Leistungsdruck
pur", sagt Berger.
Das G 8 sei eine
bloße Sparmaßnahme und kein pädagogisches Konzept.
Acht Jahre Gymnasium seien billiger als neun. Mit der Umsetzung
habe man die Lehrer allein gelassen. "Neue Lernformen gib
es nicht. Das G 8 ist die alte Paukschule in Hochpotenz",
klagt Susanne Meyder-Nolte. Ihre Tochter habe in Klasse sechs
schon bis Weihnachten das zweite Englischbuch komplett durchgeackert,
verdeutlicht sie, was sie meint.
"Wir wollen
aber nicht jammern, sondern wir wollen mitgestalten", fordert
Meyder-Nolte. "G 8 minus Eltern", so nennt sich die
Initiative, die sie mit einigen Mitstreitern ins Leben gerufen
hat. "Die Bezeichnung leitet sich von der E-Mail-Adresse
ab. Eigentlich sollte es G 8 plus Eltern heißen",
sagt Meyder-Nolte. Denn bisher seien die Eltern nicht gehört
worden. Und das wollen sie ändern.
Am vergangenen Dienstagabend
hat sich die Initiative erstmals versammelt. 28 Eltern von allen
Göppinger Gymnasien, aber auch aus Eislingen und sogar
aus Lorch (Ostalbkreis) waren gekommen. "Wir nutzen jetzt
die Gunst der Stunde der Landtagswahl", erklärt Susanne
Meyder-Nolte.
Zum einen sollen
die Landtagskandidaten bearbeitet werden, besonders aber auch
die Abgeordneten im Schulausschuss, der am kommenden Mittwoch
zum Thema G 8 tagt und denen die Göppinger Eltern einen
Brief mit ihren Argumenten übergeben wollen.
Darin fordern sie
Sofortmaßnahmen wie die Senkung der Wochenstundenzahlen
oder ein Aussetzen der Vergleichsarbeiten, die alle Schulen
durchführen sollen. "Dadurch werden die Schulen dazu
verleitet, nur auf gute Ergebnisse hinzupauken, um im Vergleich
gut dazustehen, und diesem Ziel innovative Konzepte unterzuordnen",
argumentiert Barbara Berger. Langfristig wollen die Eltern in
den Reformprozess eingebunden werden.
Mitstreiter sollen
den Brief mit ihren Unterschriften unterstützen. Dessen
genauer Wortlaut wird am kommenden Samstag bei einer offenen
Versammlung nochmals abgestimmt. Danach findet eine ebenfalls
öffentliche Podiumsdiskussion mit Landtagskandidaten statt,
zugesagt haben dafür Nicole Razavi (CDU), Henning Schüring
(Grüne) und Werner Simmling (FDP) sowie der SPD-Landtagsabgeordnete
Frieder Birzele. Weitere Aktionen werden zurzeit geplant. Am
23. Januar kommt der Kultusminister Helmut Rau nach Göppingen,
eine Woche darauf tagt das Kabinett der Landesregierung in der
Stadt. Ob über Mahnwachen oder im Gespräch, die Eltern
wollen beide Besuche dazu nutzen, um die Politiker auf ihr Anliegen
aufmerksam zu machen. Und sie suchen noch Verbündete im
ganzen Land.
Die Elternversammlung
findet am Samstag um 14.30 Uhr im Pavillon der Göppinger
Stadtkirche statt. Die Podiumsdiskussion beginnt danach um 16
Uhr. Interessenten können mit der Elterninitiative per
E-Mail Kontakt aufnehmen (G8-eltern@t-online.de).
Freitag, 13.01.2006
(Stuttgarter Zeitung)