Henning Schürig - Landtagskandidat im Wahlkreis Göppingen (Bündnis 90/Die Grünen)

LANDTAGSWAHL / Kandidatenrunde für Schüler

Wortgefechte für mehr Durchblick
Bildungspolitik das dominierende Thema

Jugend- und Bildungspolitik hieß der Stoff, an dem sich gestern in der Geislinger Jahnhalle Fronten auftaten: Soll man die Studiengebühren abschaffen, das dreigliedrige Schulsystem aufheben, G8 entstauben? Acht Talkgäste nutzten alle Reibungsflächen, um Schülern mehr "Durchblick" zu verschaffen.

PHILIP PALLMANN

GEISLINGEN - Bevor "DasDing"-Radiomoderator Steffen Wurzel die gestrige Polit-Gesprächsrunde in der Jahnhalle überhaupt eröffnete, war für den angestammten Vertreter der Jungen Union der Zug bereits abgefahren, und zwar in die verkehrte Richtung: In Stuttgart bestieg er versehentlich die Bahn in Richtung Karlsruhe. Also wechselte kurzerhand die Geislinger Gymnasiastin Irene Eckert, ebenfalls JU-Mitglied, aus dem Publikum auf die Talkbühne.

Die Jugendvertreter der Parteien nahmen sich sogleich des Themas Bildung an und proklamierten dabei fast immer, was das Schülerpublikum hören wollte: Studiengebühren sollen wegfallen und die Sprachförderung im Kindergartenalter ausgebaut werden, forderte Sascha Binder (Jusos). Henning Schürig (Grüne) machte sich für die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems und die Unterstützung selbstverwalteter Jugendhäuser stark. Für Nachbesserungen an G8 und eine Aufwertung der Hauptschule trat Irene Eckert (JU) ein, und Kai Hattwich (Julis) gab sich als überzeugter Verfechter der "Schule als Lebensmittelpunkt", wofür er von Zuhörern wie politischen Gegnern scharfe Kritik einstecken musste. Auch der Vorstoß von JU und Julis, das Vereinsleben zum Großteil in Schulnachmittage einzubauen, beschwor eine heiße Debatte herauf.

Allgemein ging die rot-grüne Fraktion in ihrer Argumentationsweise wesentlich offensiver zu Werke als das schwarz-gelbe Lager; dennoch entwickelte sich ein heiteres Hin und Her, das auch mal abstruse Gedanken gebar: Sascha Binder (Jusos) zeichnete Schreckensbilder von Atomkraftwerk-Neubauten auf dem Geiselstein. Überhaupt sei die Bildungsstudie nicht so ernst zu nehmen, meinte Irene Eckert (JU), und erntete Szenenapplaus für den Einwurf, Pisa-Spitzenreiter Finnland weise
die höchste Selbstmordrate unter Schülern auf. Der Talkmaster indes schob nach, dies liege wohl eher in der Tristesse während der Polarnacht begründet. . .

"Durchblick 05/06" heißt dieses durchaus muntere Projekt des Landesschülerbeirats (LSBR), das Jungwähler fit für die Landtagswahl am 26. März machen will. Zusammen mit dem Helfenstein-Gymnasium stellte der LSBR die gestrige Talkrunde mit Kandidaten und Nachwuchsleuten der vier im baden-württembergischen Parlament vertretenen Parteien auf die Beine.
Dabei waren es vorrangig Obenstufenschüler der drei Geislinger Gymnasien, die zumindest anfangs für eine gut gefüllte Jahnhalle sorgten. Und das nicht zuletzt deswegen, weil etliche Gemeinschaftskundelehrer die Diskussionsrunde zu einer Pflichtveranstaltung ausgerufen hatten.
"Durchblick" per Verordnung also, und so war es wenig wunderlich, dass sich die Reihen bis Veranstaltungsende radikal gelichtet hatten. . .

Auch unter den Landtagskandidaten schieden sich die Geister am dreigliedrigen Schulsystem. "Die Selektion läuft nur für manche gut", urteilte Dr. Hansjürgen Gölz (SPD). Werner Simmling (FDP) forderte "mehr Durchlässigkeit", plädierte jedoch für eine Beibehaltung der Aufteilung
nach Klasse vier, ebenso wie CDU-Ersatzkandidat Dr. Micha Lege, der die Gesamtschule einen "Einheitsbrei" nannte.

Weitgehende Einigkeit herrschte, dass Sprachförderung bereits vor der Einschulung stattfinden müsse. "Was du im Kindergarten verlierst, holst du nie wieder rein", gab Gölz zu bedenken. Auch G8 war ein vieldiskutierter Reibungspunkt: Simmling sah die Schulzeitverkürzung als "eine sehr
vernünftige Sache", Gölz hingegen nannte es einen "Ganztagsstundenplan ohne Ganztagsschulkonzept". Und der Göppinger Wahlkreiskandidat Schürig, auch in Runde zwei für die Grünen mit von der Partie, sprach sich für einen völligen Bruch mit bisherigen Konventionen im Unterrichtsalltag aus.

Abwanderungsströme

Und während manches Kandidatenstatement lediglich mit Höflichkeitsapplaus bedacht wurde, gehörte der motivierteste Beifall nicht selten kritischen Publikumsfragen, etwa die nach der Abiturientenschwemme 2012, wenn sich G9 und G8 überschneiden. Derweil hatte im Saal längst eine rege Völkerwanderung eingesetzt. Mit schöner Regelmäßigkeit drängten klassenweise Schüler nach draußen. "So schlecht ist es hier doch auch wieder nicht", kommentierte Talkmaster Wurzel schmunzelnd die Abwanderungsströme.

MIttwoch, 22.02.2006 (Geislinger Zeitung)

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