Grundschulempfehlung

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Bis vor einiger Zeit kannte ich das Wort Grundschulempfehlung gar nicht. Ich habe meine Schulzeit in Niedersachsen verbracht, ging dort erst vier Jahre zur Grundschule, dann – wie alle und mit allen – zwei Jahre auf die Orientierungsstufe (OS).

Am Ende der OS gab es dann die Gymnasialempfehlung – oder eben die Realschulempfehlung oder die Hauptschulempfehlung.

Wie das Wort Empfehlung ja auch nahelegt, war es eine Empfehlung und keine verbindliche Weisung. Die Eltern konnten also selbst entscheiden, ob sie dieser Empfehlung folgen oder nicht. Die meisten taten es, einige wichen leicht davon ab.

Interessant finde ich aber nicht nur, dass hier ein Streit an einem Wort entzündet, das ich lange gar nicht kannte, sondern auch, dass es in Hamburg Proteste gab, weil die Grünen das Elternwahlrecht abschaffen wollten und in Baden-Württemberg nun, weil die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung wegfallen soll.

Dabei sind das zwei Seiten einer Medaille. Schafft man die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung ab, kommt automatisch das Elternwahlrecht – und andersherum. Die einen beschweren sich, weil man’s abschafft, die anderen weil man’s einführt.

Scheint manchmal ein bisschen so als müsse einfach alles so bleiben wie es ist, dann regt sich auch keiner auf.

Die Gymnasien in Niedersachsen waren meines Wissens nach übrigens nicht mehr oder weniger überlaufen als die in anderen Bundesländern auch.

Dieser Beitrag hat 14 Kommentare

  1. Andy

    Es wird sowieso Zeit, dass wir das anachronistische dreigeteilte Schulsystem über Bord werfen und die Einheitsschule kommt.

  2. simon

    deine andeutung zur überfüllung von gymnasien soll wohl ein einwurf sein, dass keine berliner verhältnisse DEINER meinung nach folge des ganzen sein werden?

    wo siehst du die unterschiede der beiden systeme? werden sprößlinge bildungsferner schichten eher auf ein gymnasium gehen, wenn die eltern sich ohne empfehlung entscheiden oder wenn eltern von der schule den hinweis bekommen ihr kind sollte doch auf ein solches? in welchem system wird weniger durch die herkunft bestimmt?

  3. Sebastian

    Das lustigste: Das ist die gleiche Schicht, die da protestiert, nur mit einem minimal anderen Einschlag. Die, die ihre Kinder um Biegen und Brechen auf dem Gymnasium haben müssen, auch wenn die Grundschule das nicht empfiehlt auf der einen Seite und die, die ihre Kinder auf dem Gymnasium nicht von dem Pöbel umgeben haben wollen, der da „nicht hingehört“.

    Klar ist: Grundschüler sollten keinen Druck um Noten und Empfehlungen haben und schon gar nicht selektiert werden – auch später nicht.

  4. Henning

    @Sebastian
    Da hast du mit Sicherheit recht.

    @Andy
    Abgesehen davon, dass „Einheitsschule“ ein Begriff ist, der die Gemeinschaftsschule (wo es viel mehr als bisher um individuelle Förderung gehen soll) verunglimpft und daher eigentlich nur von den Gegner benutzt wird, kann ich dir da zustimmen.

    @simon
    Dies ist mit Sicherheit kein Schritt, um den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft abzukoppeln. Das behauptet meines Wissens nach aber auch niemand. Dafür soll es ganz andere Maßnahmen geben.
    Das ist ein Schritt, der viel mehr einfach damit zu tun hat, dass Bürger selbst entscheiden und nicht der Staat für sie.
    Deinen Verweis auf die Berliner Verhältnisse verstehe ich nicht, das müsstest du erläutern.

  5. simon

    in berlin wurde die empfehlung aufgegeben. folge ist ein school-run und die kapazität der gymnasien reicht nicht aus, seither wird gelost wer auf das gymnasium gehen darf und wer nicht. wesentlich schlechter wie die empfehlund also, da weder die soziale herkunft dadurch von der schule entkoppelt wird, noch die tatsächliche leistung oder das mögliche potential eine rolle spielt.

  6. Henning

    Gar keine Empfehlung und keine verbindliche Empfehlung sind ja aber auch noch ein Unterschied.

  7. test

    Das heißt, die Grünen in Hamburg wollen das Gegenteil der Grünen in BW?!
    Gibt es keine grünen Prinzipien anhand derer man solche Entscheidungen trifft?

  8. Luise

    Hallo,

    ich bin grundsätzlich für eine Empfehlung da die Eltern Ihr kind auch oft überschätzen. Meine Nichte hatte empfehlung für Hauptschule. trotzdem musste sie auf das Gymnasium. End vom Lied > Sie musste jetzt nach 2 Jahren doch auf die Hauptschule. Das hätte man dem Kind ersparen können…zumal der weg nach oben auch nach der Hauptschule noch offen ist.

  9. Henning

    @test
    Grüne Prinzipien sind glaub was anderes als so etwas. Und bei so etwas gilt letztlich die Autonomie des Landesverbandes. Sagt dir übrigens Subsidarität was?

    @Luise
    Der Weg nach oben ist schwer. Die Durchlässigkeit besteht erwiesermaßen vor allem nach unten. Und solange bei PISA die besten Hauptschüler besser abschneiden als die schlechtesten Gymnasiasten kann die Empfehlung so objektiv nicht sein.

  10. elke

    Ich weiß, das ist nicht unbedingt die Antwort auf die Fragestellung in diesem Blog, aber vielleicht sollte ganz von vorne in Sachen Schule begonnen werden, nämlich bei der Ausbildung der Lehrer. Ich kann mich an den wunderbaren Satz „kein Kind soll auf der Strecke bleiben“ erinnern. Mein Kleiner wurde letzten Herbst eingeschult. Ein pfiffiger kleiner Kerl, der Spaß daran hat „Neues“ zu entdecken und Fragen ohne Ende stellt. Die Freude auf die Schule war sehr groß. Endlich Schulanfang – erste Woche schon täglich von 8:20 Uhr bis 12 Uhr, bzw. 12:50 Uhr Schule. Dann täglich – auch übers Wochenende noch 2-3 Stunden – manche Kinder sitzen auch 4 Stunden – Hausaufgaben. Bereits nach einer Woche fiel der Groschen bei den Kids, denn sie waren total mit dem langen konzentrierten Stillsitzen überfodert – die Kenntnis „Schule macht keinen Spaß“. Die haben oft einen längeren und deutlich anstrengenderen Arbeitstag als mancher Erwachsene. Bereits nach den ersten 6 Wochen die erste Vergleichsarbeit der drei ersten Klassen mit Punktevergabe und somit auch eine indirekte Benotung. Seither gibt es diese Arbeiten alle 3-4 Wochen. Wir Eltern – man glaubt es kaum, reden ab und an miteinander und so besprachen wir einzeln am Elternsprechtag, dass wir das als nicht erstklässlergerecht empfinden die Kids im ersten halben Schuljahr schon so auszubrennen und jegliche Freude am Lernen zu nehmen. Die Lehrer meinten nur, das müssten die Kinder halt lernen. Zwischenzeitlich sind wir uns sicher, dass es hier nicht darum geht den Kids vernünftig ihren Schulstoff beizubringen, sondern darum ob die Lehrerinnen der anderen ersten Klassen schneller den Unterrichtsstoff in die Kinder einhämmern, also um Konkurrenz der Lehrer untereinander und dank Pisa auch der Schulen. Auf der Strecke bleiben die Kinder und ganz besonders die Kinder, die vielleicht das konzentrierte Stillsitzen über viele Stunden noch lernen müssen. Meine persönliche Meinung und Beobachtung ist, dass bereits jetzt schon der Grundstein für die spätere Schullaufbahn gelegt wird. Kommste mit – haste Chancen eine Weiterempfehlung für die Realschule oder das Gymnasium zu bekommen.
    Diese Tendenz spürte man schon, als vor 10 Jahren unser „Großer“ eingeschult wurde, aber der heutige Druck für die „Kleinen“ ist noch weitaus größer. Wir sollten uns einfach doch kleine Erwachsene backen.

  11. test

    Du hast dich doch gewundert, dass die Hamburger etwas anderes wollen als die Baden-Württemberger! Wenn du für deine Partei das Recht reklamierst im Norden und Süden genau das Gegenteil für richtig zu halten, dann solltest du dich vielleicht nicht über den Bürger wundern. Subsidarität gilt wohl beim Bürger nicht?

  12. Henning

    Zwischen wundern und nicht dürfen oder grüne Grundsätze verletzen, gibt es einen riesengroßen Unterschied, insofern geb ich deinem früheren Kommentar nach wie vor nicht recht.

    Dein Verweis auf die Subsidarität bei den Bürgern ist aber natürlich berechtigt. Auch wenn ich glaube, dass es andersrum (bei einer Einführung des Elternwahlrechts in Hamburg und einer Abschaffung in Baden-Württemberg) genau die gleichen Aufregungen gegeben hätte, es also vermutlich keine Hamburger oder Stuttgarter Besonderheiten gibt, warum dort das eine und hier das andere gelten sollte.

  13. test

    Stimmt, das kann ich mir gut vorstellen. Wenn die Ausgangslage genau andersherum gewesen wäre (bindende Empfehlung in HH, und keine bindende in BW) hätten die Grünen wahrscheinlich jeweils das Gegenteil eingeführt und die Bürger wären dagegen. Die Bürger haben hier aber immer noch das Argument, dass das aktuelle System doch gut funktioniert und es daher nicht geändert werden braucht. Wenn man das System ändern will, braucht man doch einen Grund, warum die Änderung viel besser für die Schüler ist, oder? Und diesen Grund gibt es scheinbar nicht, denn sonst kämen die Grünen in HH und BW doch nicht zu diesen verschiedenen Konzepten. Also sieht es für mich danach aus, dass die Grünen eine Änderung nur um der Änderung willen fordern, ohne dass es Anhaltspunkte gäbe, dass dies besser für die Schüler sei.

  14. Henning

    Ich muss zugeben, du hast dir bei deinem Einwurf oben mehr gedacht als ich zunächst vermutet hatte. Wirklich interessant, den eigenen Gedankengang mal aus der genau entgegengesetzten Perspektive zu lesen ohne selbst daran gedacht zu haben.

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