Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

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Ich bin zum Mittagessen verabredet und warte am Treffpunkt. Bin etwa zwei Minuten zu früh dran. Ein paar Meter weiter steht eine Frau unüberhörbar laut weinend an einer Telefonsäule. Sie schluchzt irgendwas mit „Du musst mir helfen!“ in den Hörer.

„Was ist denn los mit der Frau?“, frage ich mich und sehe mich um. Da steht Polizei auf der anderen Straßenseite. Zusammen mit zwei Autos, die aber auf den ersten Blick unbeschadet aussehen. Gab’s nen Unfall?

Ich gucke wieder zur Frau und sehe in dem Moment, wie sich ihr Kinderwagen rollend von ihr verabschiedet. Sie stand nur 2-3 m von der Straße entfernt. Mitten in Stuttgart.

Nachgedacht habe ich keine Sekunde. Die erste Achse des Kinderwagens hatte gerade die Bordsteinkante überquert als ich den Griff des Kinderwagens erwischte. Etwa 3 m entfernt kam gerade ein Auto.

Die Frau schrie „Mein Kind!“ und ich fürchtete schon eine Schimpftirade von ihr. Wer weiß, ob sie die Situation da gerade richtig erfasste. Sie schob aber nur den Kinderwagen wieder zur Telefonsäule. Ich stellte mich weiter wartend ein paar Meter daneben.

Während sie wegging, sprach mich eine ältere Frau an. Fand das ganz toll von mir. „Wenn Sie nicht gewesen wären…“ Ich nickte nur freundlich. Fand das irgendwie in dem Moment etwas unangenehm. Außerdem war ich vor allem erleichtert, dass dem Kind nichts passiert ist und dass die Mutter mich nicht beschimpft hat.

Die Frau ließ nicht so recht von mir ab. Immer wieder sagte sie was dazu und nickte anerkennend. Schien etwas aufgeregt zu sein. „Standen Sie daneben?“ – „Naja, da in etwa…“ – „Ja, Sie waren weiter weg. Wie Sie da so schnell hin sind…“

Ich nickte wieder. Die Frau ging wieder ein paar Schritte in die andere Richtung. Meine Essensbegleitung kam. „Na, du Lebensretter?“ In dem Moment kam wieder die alte Frau: „Ihr Freund hat gerade einem Kind das Leben gerettet.“ – „Ich weiß, ich hab’s gesehen.“

Ich wollte dann einfach nur essen. Auch wenn ich natürlich froh bin, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein. So richtig realisiert hatte ich das Ganze aber vielleicht auch noch nicht.

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