In Gedanken versunken

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Schräger als Fiktion hieß der Film in der Sneak und das war er auch. Hat mir echt gefallen. Ich musste allerdings am Ende dringend aufs Klo. Das gemütliche Beisammensein im Anschluss schien heute eh auszufallen. Also hab ich den Abspann nicht bis zu Ende abgewartet und bin raus. Hab mich erleichtert und dann war ich draußen. Alleine. Ganz plötzlich.

Meist redet man ja noch über den Film oder auch was anderes, ist also noch in Gesellschaft. Aber ich stand mitten in den Stadt und ging erstmal zum Geldautomaten. Unterwegs sponnen meine Gedanken wild in der Gegend rum. Filme sind irgendwie inspirierend. Man vergleicht sich und andere Leute mit den Charakteren im Film.

Was haben sie für Träume? Was hindert sie daran, sie zu realisieren? Warum tun sie’s dann doch? Was haben sie für Stärken? Was für Schwächen? Was davon trifft auch auf mich zu? Was auf andere, die ich kenne?

Irgendwie habe ich die Gedanken dann immer in Sätze gefasst. Als würde ich euch in einem Podcast davon erzählen. Genau in dieser Stimmung war ich gerade. Ich erzähle meine Gedanken.

Dann kam ich an parkenden Autos vorbei. Ein Mann und eine Frau küssten sich – und trennten sich voneinander. Er etwa 60, sie vielleicht um die 40. Ich überlegte, ob er eine Affäre mit ihr hat. Sie ging nun neben mir. Ich sponn den Gedanken weiter. Wir standen nun nebeneinander an einer roten Fußgängerampel. Ich sah auf die beleuchteten Treppen des Krankenhauses gegenüber. Betrügt der Mann womöglich seine Frau? Ob sie auch nen Mann hat?

„Das ist total idiotisch, oder?“

Ihr Satz riss mich völlig aus meinen Gedanken. Für eine Sekunde, die mir vorkam wie eine halbe Ewigkeit, starrte ich sie an. Dann bemerkte ich, dass sie die rote Ampel meinte, die uns schon seit einer Weile das Weitergehen untersagte, obwohl gerade kaum bis gar keine Autos kamen.

„Ja… und es kommen auch zu viele Autos, um einfach rüberzulaufen“, erwiderte ich. „Ja, jetzt schon“, sagte sie. „Aber gerade eben nicht. Tagsüber kann man ja auch nicht einfach rüber, weil man Vorbild für die Kinder sein muss.“

„Und morgens stehen die natürlich immer genau dann da, wenn man es eilig hat“, sagte ich lachend, während wir dank der inzwischen grün gewordenen Ampel über die Straße liefen. Wir hatten genau das gleiche Schritttempo. Sie holte einen Autoschlüssel aus der Tasche. Ah ja, hier steht wohl ihr Auto. „Tschüss“, sagte ich und ging etwas schneller. Sie reagierte nicht und ging ebenfalls schneller. Nanu? Will sie mir noch irgendwas sagen? Ich glaube, sie hat mich gar nicht gehört.

„Tschüss“, sagte nun auch sie. Es klang nicht wie eine Antwort, sondern wie ein erstes Tschüss. „Tschüss“, sagte ich noch einmal, lächelte und überlegte mir auf dem Weg nach Hause, wie ich euch diese kleine Geschichte am besten erzählen kann.

Dieser Beitrag hat 0 Kommentare

  1. nichtgenosse

    klein henning als hobbyphilosöphle 🙂

  2. Henning

    Das ist Klein-Henning, jetzt bin ich groß. Jedenfalls werd ich nicht mehr größer. 🙂

    Aber Philosophie? Das da? Hmmm…

  3. Claudia

    Eine schöne Geschichte … still und klein und romantisch. Hach … ;-). So kleine Begegnungen im Alltag können wunderbar sein.

  4. Henning

    Romantisch? Was ihr da alles drin seht… aber vielen Dank!

  5. Till Westermayer

    Nachdem ich heute „Schräger als Fiktion“ gesehen habe, macht dein Eintrag doch etwas mehr Sinn. BTW: Wer kommt eigentlich auf so idiotische Ideen wie „stranger than fiction“ so zu übersetzen? Das ist nämlich nicht nur der Filmtitel, sondern auch das eine oder andere Album, und ich meine, dass „Truth is stranger than fiction.“ auch ein stehender Ausdruck im Englischen ist. Eigentlich hätte der Titel daher sowas sein müssen wie „Geschichten, die das Leben schreibt“. Oder „Eine wahre Geschichte“. Oder eben gleich „stranger than fiction“.

  6. Henning

    Hm, mir war gar nicht bewusst, dass das so schräg klingt, wenn man nicht gerade vorher den Film gesehen hat. 🙂

    Was den Titel angeht, stimme ich dir zu. Ich schreibe oder sage daher meist auch den englischen Titel mit dazu.

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