Hessen bleibt spannend: Wer wird regieren?

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Eigentlich wollte ich ja noch das vorläufige amtliche Endergebnis in Hessen abwarten, aber da die Linkspartei nun bei der 22:51-Uhr-Hochrechnung inzwischen schon bei 5,1 % war, wird sie wohl sicher drin sein.

Anfangs sah es so aus als würde nur noch der eventuelle Einzug der Linkspartei in den Landtag Rot-Grün stoppen können. Im Laufe des Abends wurde der Abstand zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün dann immer knapper, die Linke kam über die 5%-Hürde und dann überholte Schwarz-Gelb Rot-Grün plötzlich wieder. Ein sehr spannender Wahlabend mit einigen Aufs und Abs.

Letztenendes hat nun der Einzug der Linkspartei in den hessischen Landtag Schwarz-Gelb verhindert. Hätten aber von den 5,1 % der Linkspartei-Wähler 2 % rot oder grün gewählt, hätten wir nun Rot-Grün in Hessen, denn die hätten ja wohl kaum CDU oder FDP gewählt.

Das Allerwichtigste und Beste am Abend ist aber, dass Roland Koch für seinen Rechtspopulismus von den Wählern nicht – wie es sein Kalkül war – belohnt, sondern bestraft wurde. Von 48,8 % auf 36,8 % ist schon ein herber Schlag. Von der absoluten Mehrheit in die Opposition!?

Sicher kann man sich da noch nicht sein. Klar ist: Die Linkspartei ist drin und daher sind die klassischen Zweierkoalitionen CDU/FDP und SPD/Grüne nicht möglich. Alle anderen Varianten – Ampel, Rot-Rot-Grün, Jamaika und große Koalition – wurden von mindestens einem dieser Partner ausgeschlossen.

Irgendjemand muss da also seine Verweigerungshaltung aufgeben. Am ehesten verzeihen die Wähler vermutlich den Volksparteien eine große Koalition. Mein Wunsch bei diesem Wahlergebnis wäre ganz klar eine Ampelkoalition, also SPD, FDP und Grüne. Für eine Ampel spricht sich aus SPIEGEL-Redakteur Claus Christian Malzahn in seinem Artrikel zur Hessen-Wahl heute Abend aus:

Eine Ampel ist in jedem Fall rechnerisch möglich – ein Linksbündnis unter Umständen auch. Das eine Bündnis wird es ohne das Kokettieren mit dem anderen nicht geben. Die FDP wird es schwer haben, sich gegenüber SPD und Grünen zu verweigern – wenn das Ergebnis solcher Fundi-Opposition eine Regierung unter Einbeziehung der Linken wäre. Aber selbst wenn es die Linken doch nicht in den Landtag schaffen würden, sollte die FDP eine Koalition mit Grünen und SPD nicht von vornherein verdammen.

Letztere Frage ist entschieden. Die Linke ist drin (jetzt auch nach vorläufigem amtlichen Endergebnis, das während des Schreibens kam). Muss jetzt also mit Rot-Rot-Grün kokettiert werden, um eine Ampel zu kriegen? Alles ziemlich schwierig.

Schön war an diesem Wahlkampf, dass doch sehr stark auch die Landesthemen eine Rolle gespielt haben. In Hessen wurde Koch und der CDU von der Mehrheit der Wähler eine verfehlte Bildungspolitik vorgeworfen. Die Kompetenzwerte der CDU in diesem Bereich gingen stark zurück und so war es nur folgerichtig, dass die Opposition dann deutlich hinzugewinnt.

In Hessen wird’s noch sehr spannend in den nächsten Tagen.

Auch zur Wahl gebloggt haben:
– 24stunden.de: Live-Blogging vom Wahlabend
– Daniel Mouratidis: Höchststrafe für Koch
– zeineku: Roland Kochs Wahlergebnis: Wer am rechten Rand fischt, stellt sich ins Abseits

Dieser Beitrag hat 18 Kommentare

  1. Henning

    Vielleicht ein kleiner Nachtrag noch, das vorläufige amtliche Endergebnis:

    CDU: 36,8 %
    SPD: 36,7 %
    FDP: 9,4 &
    Grüne: 7,5 %
    Linke: 5,1 %

    Dass die CDU nun doch noch ganz knapp – mit etwa einem halben Wähler – vor der SPD liegt, ändert nicht wirklich viel, macht aber eine große Koalition für die SPD unattraktiver. Und die SPD hat viel eher Alternativen als die CDU. Es bleibt spannend.

  2. Matthias

    Notfalls muss m.E. auch Rot-Rot-Grün drin sein, wenn nur damit der Doppelmurks Große Koalition unter Koch verhindert werden kann. Schlimmer ginge’s ja wohl kaum.

  3. Andy

    Ich fände ja rot-rot-grün recht schick. Wäre ein interessanter Testfall für eine Koalition, die in Zukunft sicherlich häufiger anzutreffen sein wird.

    Außerdem täte es der SPD mal ganz gut, einen Koalitionspartner zu haben, der etwas weiter links als sie steht 😉

  4. Daniel

    Mir wäre eine Ampel lieber. Bislang wollten die Linken gar keine Koalition eingehen, und es erscheint mir auch eine sehr unstete Zukunft zu haben, so unsortiert wie die Linken sind.
    Wichtig ist auf jeden Fall: Koch darf nicht Ministerpräsident bleiben!

  5. SoWhy

    Ich hatte mit meinem Pessimismus wohl doch recht, ich wusste doch, dass es falsch war, die SPD schon zum Sieger zu erklären. Am Ende sind die Menschen doch zu blöd, um Koch auch abzuwählen und nicht nur abzuwatschen…

  6. Joern

    War ein spannender Wahlabend und gleichzeitig total Langweilig. Jedesmal der selbe Mist. Egal welcher Kandidat eine Frage gestellt bekommt, es wird irgendwas erzählt – nur nicht die Frage beantwortet. Wenn man due Frage nicht beantworten will/kann könnte man ja sagen, dass man dazu nichts sagen kann. Aber nein! laberlaberlaber. Das schafft meiner Meinung nach am meisten Politikverdrossenheit. Am schlimmsten war da noch die Parteivorsitzende der Grünen: man ist nicht ganz zufrieden, aber man hat ja Koch abgewählt, also ist man eigentlich schon zufrieden!
    Bitte was? Koch wurde vielleicht abgewählt, wer dafür aber absolut nichts kann sind die Grünen, die, wenn ich es richtig ausgerechnet habe, sogar mehr Prozent ihrer Stimmen verloren haben als die CDU….
    Ist wirklich zufall dass ich jetzt die Grünen als Beispiel genommen habe, es war aber meiner Meinung nach die schlimmste Aussage.
    Wie siehst Du sowas, Henning? Für mich liedet durch solche Aussagen die gesamte Politik und meine Lust zur Wahl zu gehen wird dadurch definitiv nicht größer…

    Wenn man naiv ist und an das gute in der Politik glaubt kann es ja nur Neuwahlen geben, da ja alle rechnerisch möglichen Koalitionen von mindestens einer Partei kategorisch ausgeschlossen worden sind. ABer mal schauen, wer dann also vor der Wahl am meisten gelogen hat und dann einbricht…

  7. thorsten

    Hätten aber von den 5,1 % der Linkspartei-Wähler 2 % rot oder grün gewählt, hätten wir nun Rot-Grün in Hessen, denn die hätten ja wohl kaum CDU oder FDP gewählt.

    Tja….wer weiß: Jedenfalls nach einer Statistik ich glaube des ZDF gab es eine relevante Wählerwanderung von der CDU zur Linkspartei von 2003 zu 2008…
    Und Joern kann ich dahingehend nur zustimmen, dass es sowohl dreist wie auch unklug ist, Fragen von Journalisten schlicht zu ignorieren und irgendwas anderes zu erzählen. Das ist tatsächlich eine Unart, die einen zur Weißglut bringen kann.

  8. Herr Schwaner

    @Jörn & @Thorsten: Das ist in der Tat eine fürchterliche PR-Unart, konkreten Fragen erst einmal auszuweichen und noch besser, mit dem Aufzeigen der Niederlage der anderen zu beantworten. Aber „business as usual“ im Politzirkus.

  9. Henning

    Aktuelle Lage:
    FDP verweigert sich strikt einer Ampel und die meisten FDPler schließen auch Jamaika aus – damit zwingt die FDP die SPD zu einer großen Koalition oder Rot-Rot-Grün. Sie lässt ihr keine andere Wahl.

    Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, wie man mit dieser Truppe regieren soll. Wie soll man denn mit Kommunisten im 21. Jahrhundert in Deutschland praxistaugliche Politik machen? Es gibt einige programmatische Überschneidungen, das ist klar. Aber es gibt auch sauviel, was dagegen spricht.

    So sehr ich mir die Ampel wünsche, es wird wohl eine große Koalition werden. Die Dementis dort sind am schwächsten (Angela Merkel: „Eine große Koalition ist mit diesem Programm fast nicht vorstellbar.“ Fast!; Kurz Beck: „Momentan sehe ich überhaupt keine Chance für eine Große Koalition.“ Momentan! Chance!). Außerdem muss irgendjemand umkippen, weil alles bereits ausgeschlossen wurde. Bei einer großen Koalition ist das am ungefährlichsten, weil beide Lager gleich stark umgekippt sind. Für kleine Parteien ist das viel gefährlicher.

    @Joern
    Ja, dieses nicht auf die Frage antworten ist sehr nervig. Liegt aber auch manchmal zum Teil daran, dass manche Fragen noch nicht beantwortet werden können. Sagt man dann aber „Dazu kann ich jetzt noch nichts sagen“ heißt es „X schließt Y nicht aus“.

    Aber das hier versteh ich jetzt nicht.

    Am schlimmsten war da noch die Parteivorsitzende der Grünen: man ist nicht ganz zufrieden, aber man hat ja Koch abgewählt, also ist man eigentlich schon zufrieden!

    Find ich nachvollziehbar. Man ist halt hin- und hergerissen. Ich weiß ja jetzt nicht, ob diese Aussage eine Antwort auf die Frage des Moderators war, aber warst du noch nie so halb/halb zufrieden?

    Bitte was? Koch wurde vielleicht abgewählt, wer dafür aber absolut nichts kann sind die Grünen, die, wenn ich es richtig ausgerechnet habe, sogar mehr Prozent ihrer Stimmen verloren haben als die CDU…

    Naja, es war ein starker Anti-Koch-Wahlkampf und so haben sicher auch die grünen Wahlkämpfer mit dazu beigetragen die Anti-Koch-Stimmung zu verstärken – was aber nicht heißt, dass die dann gleich alle grün gewählt haben. Gerade diese Zuspitzung auf die beiden Spitzenkandidaten Koch und Ypsilanti hat uns Stimmen gekostet – unabhängig eigentlich von unserem Wahlkampf. Die Leute hatten halt das Gefühl, die SPD braucht jede Stimme. Dass am Ende wichtig ist, wie viel rot und grün zusammen haben, geht da leicht unter.

    Naja, und nochmal zur Klarstellung: Mich nervt es auch, wenn überhaupt nicht auf die Frage eingegangen wird.

  10. Andy

    Also ich finde ja, daß man mit der Linkspartei durchaus regieren kann. Hier in Berlin praktizieren wir das seit einigen Jahren recht erfolgreich.

    Daher verstehe ich die Ressentiments der SPD-Spitzenpolitiker nicht.

    Das hat wohl wirklich etwas mit einem Groll Lafontaine gegenüber zu tun, oder mit einer Realitätsverweigerung á la „es kann nicht sein, was nicht sein darf!“

    Aber ich bin ja auch der Meinung, daß sich das Problem (oder eher: Problemchen) Linkspartei von selbst löst, wenn wir als SPD aufhören, den Wirtschaftsverbänden in den A**** zu kriechen, und wieder anfangen, kapitalkritische und arbeitnehmerfreundliche Politik zu betreiben 😉

  11. Joern

    @henning: Natürlich kann man halb zufriedne zu sein, ABER: Man braucht sich nur die Zahlen anschauen, die ganz klaren Wahlverlierer waren die CDU UND die Grünen. Wie man als Wahlverlierer (aus eigener Sicht) irgend etwas positives zu einer Wahl beigetragen haben soll bleibt mir ein Rätsel. Aber es ging mir hauptsächlich um die Antwort auf eine Frage, die in diesem Fall, glaube ich, die Verluste der Grünen erklären sollte….
    Gut, Du siehst das (verständlicherweise) etwas anders.

    Aber schön, dass wir uns ja alle einig sind, dass diese Frage/Falsche Antwort-Spielchen (bei allen Parteien) echt zum kotzen ist.
    Ich erwarte da mal etwas mehr Mut von den Moderatoren!

  12. thorsten

    Also zum Thema Koalitionen finde ich ja Cohn-Bendits Tolerierungs-Vorschlag mit einem klippen und klaren (?) 100-Tage-Programm sehr charmant.
    Problem natürlich auch hier: Sowohl SPD als auch Grüne haben – dummer- und m.E. wählerInnenerpresserischerweise – bereits im Wahlkampf selbst eine solche Konstellation ausgeschlossen. = massives Glaubwürdigkeitsproblem.
    Aus grün-interner Sicht spannend finde ich ja, dass Bündnisse oder selbst Tolerierungsmodelle mit der Linkspartei von genau den gleichen Leuten ausgeschlossen werden, die in Richtung der Schwarzen immer „keine Denkverbote“ fordern. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

  13. Sebastian

    Hätten aber von den 5,1 % der Linkspartei-Wähler 2 % rot oder grün gewählt, hätten wir nun Rot-Grün in Hessen, denn die hätten ja wohl kaum CDU oder FDP gewählt.

    Die FR schrieb heute in einer ausführlichen Wählerwanderungs-Analyse, dass es nach dieser (sind natürlich auch nur Befragungs-Hochrechnungen) auch mit den von der SPD und Grünen zur LINKEN abgewanderten Wählern nicht für Rot-Grün gereicht hätte. Viele kamen nämlich auch von der CDU und die allermeisten von den Nichtwählern.

  14. Henning

    @Andy
    Die Linkspartei in Berlin ist aber auch deutlich realpolitischer ausgerichtet als im Westen. Die tragen da Dinge mit, die würden die West-Linksparteiler nicht mitmachen. Nicht umsonst ist dort die WASG gegen die PDS/Linkspartei angetreten.

    @Joern
    Man macht eben im Wahlkampf sowohl positive als auch negative Stimmung. Hier war wohl die negative Stimmungsmache gegenüber Koch erfolgreicher als die positive für sich selbst.
    Ich denk, in Hessen haben einfach sehr viele Rot-Grüne gedacht, sie müssten jetzt unbedingt SPD wählen, um Koch loszuwerden. Dass grün wählen da genauso viel hilft, geht da leicht unter. Ich denke, dass auch die Linkspartei darunter gelitten hat. Ohne die Polarisierung und die Aufholjagd der SPD wäre das Linkspartei-Ergebnis in Hessen sicher besser gewesen.

    Gucken wir uns doch zum Vergleich Niedersachsen an: Die meisten Wähler gingen wohl schon davon aus, dass CDU und FDP deutlich gewinnen werden. Also kam es für sie dort eher in Betracht etwas anderes zu wählen, z.B. grün oder Linkspartei. Einen Machtwechsel dort zu gefährden war ohnehin unwahrscheinlich.

    @thorsten
    Wir haben aber in diesem Fall sowohl Jamaika als auch Rot-Rot-Grün ausgeschlossen.

    @Sebastian
    Auch mehr (Ex-)Nichtwähler-Stimmen für SPD oder Grüne hätten uns nun Rot-Grün gebracht.

  15. thorsten

    @ Henning: In *diesem* Fall, das stimmt. So weit sind noch nicht eimal die größten schwarz-grün-Fans, dass sie mit Koch gemeinsame Sache machen wollen.

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