„Wir wollen eine klare Mehrheit“, sagt Bernhard Maier, einer von drei Geschäftsführern der Pro-S21-Kampagne. So weit sind wir uns sogar einig. Ich würde sogar sagen, für das Klima und die Politik in der Stadt und im Land ist genau das das wichtigste, eine klare Mehrheit bei der Volksabstimmung zu Stuttgart 21.
Egal, ob Befürworter oder Gegner, das sollten wir alle anstreben. Es soll also bitte jeder zu der Wahl gehen. Eine Mehrheit, die wegen eines stark umstrittenen – aber in der Verfassung bislang verankerten Quorums – nicht anerkannt wird, wäre eine Katastrophe – für beide Seiten.
Wenn sich jeder beteiligen soll, dann muss man sich auch mit den Argumenten auseinandersetzen. Immer wieder stelle ich fest, dass dies oft nur sehr, sehr oberflächlich geschieht.
„Ich verstehe nicht, wie man gegen Fortschritt sein kann“, höre ich dann beispielsweise. Versteh ich auch nicht, denn darum geht es nicht. Es geht darum, wie der Fortschritt aussehen soll und ob unserem Land mit S21 oder mit einer anderen Alternative (z.B. K21) eher gedient wäre. Alles so lassen, wie es ist, will eigentlich keiner. Bei diesem „Argument“ fällt es mir daher echt schwer, ruhig zu bleiben.
Ich will niemandem vorwerfen, dass er für oder gegen Stuttgart 21 ist. Jeder kann sich da seine eigene Meinung bilden (auch wenn ich bislang nur die eine Seite nachvollziehen kann). Aber was mich doch immer wieder schockiert, ist die Uninformiertheit vieler Leute. Für viele ist S21 eher ein Glaubenskrieg als eine Sachfrage – letzteres gilt übrigens für beide Seiten.
Daher mein Appell: Schaut euch die Argumente an! Aber schaut genau hin! Was ist ein Argument und was nur pure Polemik? Ein Beispiel aus dem oben bereits kurz zitierten Interview mit Bernhard Maier in der Stuttgarter Zeitung:
Und wie sieht Ihr Szenario aus, falls das Quorum doch erreicht wird?
Falls dieser Fall eintreten würde, wäre dies für lange Zeit das Ende für große verkehrliche Investitionen im Land. Zudem wäre Baden-Württemberg das Synonym für die Missachtung von Parlamentsbeschlüssen und geschlossenen Verträgen. Unser Land wäre damit kein Boden mehr für künftige Investitionen im Infrastrukturbereich. Für eine Wirtschaftsregion von europäischem Rang eine fatale Konsequenz.
Das ist für mich ein Musterbeispiel purer Polemik. Dass eine Volksabstimmung Parlamentsbeschlüsse aufheben kann, ist in einer Demokratie völlig selbstverständlich. Das Volk ist genauso wenig zur Abnickung der Parlamentsbeschlüsse da, wie das Parlament zur Abnickung der Kabinettsbeschlüsse (auch wenn ich verstehen kann, dass man das in der CDU/FDP-Koalition anders wahrgenommen hat). Das höhere Gremium kann Beschlüsse des niedrigeren aufheben – das ist Demokratie! Herrschaft des Volkes. Herr Maier nennt es „Missachtung des Parlaments“.
Außerdem wird bei dieser Darstellung so getan als wäre die Finanzierungsvereinbarung zu Stuttgart 21 der einzige Vertrag, der jemals aufgelöst oder gekündigt wurde. Als wäre Stuttgart 21 das einzige Projekt, das jemals verhindert wurde.
Was ist denn mit dem Atomkraftwerk Wyhl? Nach massiven Protesten nie gebaut worden! (Und die Lichter sind übrigens nicht ausgegangen, wie das der damalige Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU) damals noch felsenfest behauptet hatte.) Was ist denn mit dem Transrapid? Gestoppt! Was ist denn mit dem Atomausstieg? Laufzeiten doch wieder verlängert! Was ist denn mit der Laufzeitverlängerung? Ein Jahr später wieder zurückgenommen – von derselben Regierung! Und dennoch gibt es weitere Investitionen – man stellt nur immer wieder fest, dass man in einer Demokratie eben auch das Volk mitnehmen und die geplanten Vorhaben erklären können muss. Kann man das nicht, gibt es ein Akzeptanzproblem. Für diese Investition, nicht für alle.
Das da oben sind keine Argumente, das ist die pure Polemik. Natürlich, keine Frage, auch die S21-Gegner sind davon keineswegs frei. Plakatvandalismus ist total kontraproduktiv. Aber es gibt auch viele gute Argumente! Warum kommt da von Befürworterseite so wenig? Schau ich mir die Plakate an – Fehlanzeige. Schau ich mir den S21-Kinospot an – nettes Filmchen, aber Argumente für S21? Fehlanzeige!
Ganz ehrlich: Glaubt ihr wirklich, damit bekommt ihr die Bürgerinnen und Bürger von Baden-Württemberg dazu, sich am 27. November 2011 gegen das S21-Kündigungsgesetz auszusprechen? Da muss schon mehr kommen.
Demokratietheoretisch ärgert mich das, weil ich finde, dass Dispute in der Sache auch mit Sachargumenten als Entscheidungsgrundlage diskutiert werden sollten. Aber für die Volksabstimmung gibt uns das eher Rückenwind. Die Leute wollen sich nicht länger für dumm verkaufen lassen. Überzeugen statt überreden ist gefragt und nicht sowas.
Aber macht ruhig. Wir sehen ja dann am 27. November abends, was dabei rauskommt. In mir bestärkt das die Hoffnung, dass wir da eine Mehrheit bekommen. Eine Mehrheit, die sagt: Ja zum S21-Kündigungsgesetz! Ja zu Sparsamkeit und Kostenwahrheit! Ja zu modernem Verkehr im ganzen Land! Ja zum Schutz von Umwelt und Bahnhof! Ja zu Bürgerbeteiligung und mehr Demokratie! Ja zum Ausstieg!
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behauptungen machen beide seiten zur genüge … die, die du protegierst gerne jeden montag, und zum teil so oft in der öffentlichkeit von experten anderes geschildert, wiederholen die s21-gegner dinge in der hoffnung, dass sie dadurch „recht“ bekommen, wenn es anderen zu doof wird zu wiedersprechen!