Am 09.09.2002 habe ich meinen grünen Mitgliedsantrag unterschrieben. Ich bin nun also genau sechs Jahre lang Grüner – genauer gesagt Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen. Dass es genau dieser Tag wurde, hat mit Joschka Fischer zu tun.
Joschka war an dem Tag in Stuttgart bei einer Wahlkampfveranstaltung und es gab aus Sicherheitsgründen einen Bereich nur für Mitglieder und Presse (von da konnte man nicht nur sehr gut sehen, sondern auch gut werfen/schießen/etc). Und da mein angeforderter Mitgliedsantrag im Wahlkampf-Stress noch nicht an mich verschickt worden war, trat ich dann an Ort und Stelle ein.
Nachdem ich dann erstmal im Urlaub war und mir danach schwor, nie wieder bei einer Bundestagswahl im Ausland zu sein (es gab nur ein paar Privatsender dort im Hotel und die hörten um 20:15 Uhr erstmal auf mit Wahlberichterstattung – und das bei der knappen Wahl!) wurde ich dann bei meinem zweiten Treffen der gerade kurz vor der Gründung stehenden Grünen Jugend Stuttgart deren Vorsitzender.
Im April 2003 wurde ich dann auch in den Landesvorstand der Grünen Jugend Baden-Württemberg gewählt und wurde Pressesprecher. Im Mai 2004 wurde ich dann leider nicht wiedergewählt. Zwei Stimmen fehlten bei einer sehr hart umkämpften Wahl im zweiten Wahlgang. Entscheidend dabei waren wohl inhaltliche Gründe – einigen in der GJ war ich nicht links genug und nicht allen reichte das Argument, dass ich mich richtig reingehängt hatte.
Das war erstmal sehr bitter für mich. Ich war 1,5 Jahre dabei, hab mich total in die Politik vertieft und damit in höchstem Grade identifiziert – und dann das. Ich fand das extrem unverdient (und viele andere auch). Aber letztlich muss man damit leben, dass in einer Demokratie die Mehrheit eben entscheidet, wie sie will – und inhaltliche Gründe sind ja nun auch nicht die schlechteste Entscheidungsgrundlage (auch wenn der GJ-Landesvorstand de facto vor allem organisatorisch arbeitet).
Langweilig wurde mir dennoch nicht, ich war ja weiterhin Vorsitzender der GJ Stuttgart. So ganz ausgelastet war ich damit wohl nicht. Der damalige GJ-Landesvorstand bekam oft Mails von mir, was ich zu kritisieren hatte und anders machen würde. War natürlich auch dem Frust geschuldet, dass ich es ja tatsächlich auch gerne anders gemacht hätte.
Ich fand dann im Studiengebühren-Protest 2005 eine umfassende neue Beschäftigung. Irgendwann war auch zusammen mit anderen die Idee einer Landtagskandidatur im Wahlkreis Stuttgart II entstanden. Parallel zum Studiengebühren-Protest stellte ich mich also den Ortsverbänden im gewünschten Wahlkreis vor. Vielleicht war es zu viel Studiengebühren-Protest und zu wenig Kandidatur-Vorbereitung – geklappt hat es jedenfalls nicht.
Mein Entschluss zur Kandidatur stand schon fest, bevor (mir) andere Kandidaturen bekannt waren. Es gab dann plötzlich sehr viele Interessenten, die meisten wurden über die Presse angekündigt – oder teilten dort nur ihre Gedankenspiele mit. Ich teilte meine Kandidatur nie der Presse mit, sondern nur intern und dann auf dem ganz normalen Weg einer Bewerbung beim Kreisvorstand. Der Kreisvorstand nahm die Bewerbung dann in seinen Mitglieder-Rundbrief auf und teilte der Presse alle Kandidaturen gesammelt mit. Außer meiner standen dort aber eh schon alle, so dass auch kein Artikel draus wurde. Vielleicht war das ein Fehler, denn zumindest nach außen wurde meine Bewerbung meist nicht so recht ernstgenommen.
Aber so ganz sicher war man sich offenbar doch nicht. Jedenfalls bekam ich dann auch aus Richtung Kreisvorstand mindestens einen Anruf, die Kandidatur doch bitte sein zu lassen. Eindringlich, aber vergeblich. Der Anruf war natürlich offiziell nicht in der Funktion als Kreisvorstand getätigt. Ich wäre eh chancenlos und so. Als Gegenkandidaten blieben nämlich am Ende Werner Wölfle, seit 1996 Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat (damals 52 Jahre alt), und Daniela Feindor, ebenfalls Gemeinderätin in Stuttgart (damals 32).
Geklappt hat es zwar am Ende nicht, aber schlecht war mein Ergebnis auch nicht. Im ersten Wahlgang erreichte Werner Wölfle 76 Stimmen, ich 39 und Daniela Feindor 32. Werner hätte eine Stimme mehr gebraucht, um im ersten Wahlgang gewählt zu sein. Also gab es einen zweiten, wo Daniela aus unerfindlichen Gründen wieder antrat. Werner kam dann auf 85, ich auf 37 und Daniela auf 20.
Also immerhin ein Achtungserfolg als jüngster Kandidat (ich war damals 23) Zweiter zu werden bei der Konkurrenz. Viele hatten mir das nicht zugetraut, andere allerdings hatten mir den Sieg zugetraut. Ich ja auch, wobei es schon eine Sensation gewesen wäre. Ich kandidierte dann in Göppingen, wo leider vorher klar war, dass man als Grüner dort faktisch keine Chance hat, in den Landtag einzuziehen (das Wahlrecht in Baden-Württemberg ist sehr kompliziert). Ich wurde schon für Göppingen angefragt, bevor die Kandidatur in Stuttgart auch nur halb-öffentlich bekannt war. Nun gab es keinen Grund mehr, dort abzusagen.
Die Entscheidung habe ich auch nie bereut. Der Wahlkampf als Kandidat in Göppingen war sehr spannend, aber auch herausfordernd. Ich kannte weder Göppingen, noch die Leute dort vor Ort (bis auf den Grünen-Kreisvorsitzenden und seine halbe Familie) und war auch keine kleinen Kreisverbände gewohnt. Das lief dort doch sehr anders als in Stuttgart. Das Wahlergebnis konnte ich von 5,3 % im Jahr 2001 mit einem lokalen Kandidaten auf 9,03 % im Jahr 2006 mit mir als jungen, unbekannten Kandidaten steigern. Noch wertvoller als dieses schöne Ergebnis sind aber die Erfahrungen, die ich aus dem Wahlkampf mitnehme. (Werner wurde übrigens bei der Wahl wie erwartet Landtagsabgeordneter.)
Kurz danach hab ich dann als Vorsitzender der GJ Stuttgart aufgehört, was schon bei der Kandidatur 2005 so geplant war. Inzwischen war ich auch im Februar 2005 Ortsverbands-Vorsitzender der Grünen in Stuttgart-Nord geworden und seit Oktober 2004 stellvertretendes Mitglied im Bezirksbeirat Stuttgart-Nord (so eine Art Stadtteilparlament) und so nach wie vor nicht ämterlos. Kleinere Ämter auf Landesebene der Grünen Jugend gab’s auch noch (Schiedsgerichts-Vorsitzender z.B., das bin ich bis heute).
Im Herbst 2007 kandidierte ich dann mit Votum der Landesmitgliederversammlung der GJ BaWü für den grünen Landesvorstand Baden-Württemberg (auch Parteirat genannt). Ich bekam 111 Stimmen und damit das zweitbeste Ergebnis bei den Männern. Mal wieder eine Schnapszahl. Zuvor war ich nämlich bereits am 11.11. geboren, am 09.09. eingetreten und am 07.07. nicht für die Landtagskandidatur nominiert worden.
Im Landesvorstand bin ich bis heute. Mein Ortsverbands-Kapitel hab ich erstmal abgeschlossen. Das war nichts für mich. Vielleicht bin ich dazu auch noch nicht sesshaft genug.
Das war nun mein doch etwas lang gewordener Rückblick auf sechs Jahre grüne Mitgliedschaft. Es gab ganz klar Höhen und Tiefen. Aber bereut habe ich den Eintritt nie. Wichtigste Erkenntnis: Man kann echt viel machen, wenn man bereit ist, die Zeit zu investieren.
Aber auch wichtig: nicht zu verbissen sein und auch das Leben außerhalb der Politik nicht schleifen lassen.