Tarek for President!

Es ist etwas gewagt. Eine Gratwanderung. Aber warum eigentlich nicht? Warum sollen wir nicht etwas wagen? Machen wir ja auch sonst dauernd. Es gibt so viele gesellschaftliche Debatten, die die Grünen in den bald 29 Jahren seit der Gründung angestoßen haben – warum nicht auch mal eine über die Rolle der eigenen Partei?

Halb ernsthaft wird unser grüner Spitzenkandidat in Hessen, Tarek Al-Wazir, teilweise zum Ministerpräsidenten-Kandidaten ausgerufen. Die Leute wollen Koch gegen Tarek sehen hat schon vor einiger Zeit der französisch-hessische Grüne Daniel Cohn-Bendit im Interview mit SPON gesagt.

Und es gibt viel, das dafür spricht. Andrea Ypsilanti ist bei den meisten unten durch – auch in der eigenen Partei. Torsten Schäfer-Wer gümbelt so vor sich hin. Stört keinen so richtig, interessiert aber auch keinen. Klar, der rosarote Willi und der blau-gelbe Kai-Uwe haben auch ein paar Fans. Aber können oder wollen die Roland Koch Paroli bieten?

Da bleibt nur Tarek Al-Wazir. Und dass der das kann, hat auch Joschka Fischer schon fast ein bisschen schmerzlich erfahren müssen als Tarek ihm bei einem gemeinsamen Wahlkampf-Auftritt in Hessen quasi die Show gestohlen hat – obwohl Joschka auch echt gut war.

Und warum sollen immer nur die großen Parteien Ministerpräsidenten stellen dürfen? Auch wenn der größere Koalitionspartner vielleicht 3-4 Mal so viele Stimmen hat wie wir. Dann könnte doch nach 3-4 Ministerpräsidenten durch eine große Partei auch mal eine/r durch eine kleine kommen. Und Tarek Al-Wazir – hier seine Rede auf unserem Bundesparteitag vor zwei Wochen in Erfurt – wäre genau der richtige Mann dafür.

Aber wichtiger als die Personen sind natürlich die Inhalte. Wir sind schließlich keine Projekt-18-FDP, die ihre Volkspartei-Fantasien überhaupt nicht inhaltlich untermauert hatte. Die Grünen – in Hessen und anderswo – stehen vor allem für eine moderne Umwelt- und Bildungspolitik. Für eine Energiewende, die in der SPD noch sehr umstritten ist und für eine alle Potentiale ausschöpfende Bildungspolitik, die schon Skandinavien bei PISA erfolgreich gemacht hat.

Wenn eine andere Partei da einen Ministerpräsidenten oder eine Ministerpräsidentin hat mit dem/der wir das umsetzen können, soll uns das recht sein. Derzeit ist da aber niemand in Sicht. Warum also nicht Tarek for President?!

Dieser Beitrag hat 9 Kommentare

  1. Robin

    Erinnert mich trotzdem schwer an die FDP diese Sache. Also Vorsicht! Eine 10-12 Prozent Partei als Rivalen der CDU zu profilieren kann natürlich auch nach hinten losgehen…

    Und Tarek Al-Wazir ist wirklich ein guter Redner. Trotzdem.
    Aber wenn wir schon dabei sind: Ich habe bis neulich Thorsten Schäfer-Gümbel völlig unterschätzt. Habe ihn neulich gehört und dachte mir nur „Oh, der kanns ja doch.“

  2. Martin Hiegl

    „Wir machen alles wie die FDP, aber natürlich ist das bei uns was ganz anderes.“ Eure Volkspartei-Fanatsien sind nicht besser, aber auch nicht schlechter, untermauert, wie bei einer FDP oder auch einer SED. Jede Partei hälts sich selbst natürlich für den Heilsbringer und findet das eigene Konzept allumfassend, fortschrittlich und $beliebigespositivesadjektiv.
    Der Grund warum ein kleinerer Koalitionspartei nicht den Regierungschef stellt, ist eigentlich ziemlich einfach: weil er nicht so viele Stimmen hat.

  3. Henning

    @Martin
    Wo sagen wir denn, wir wären jetzt auch ne Volkspartei? Nirgendwo. Schon mal ein großer Unterschied.

    Und Minister stellen auch kleinere Koalitionspartner, obwohl sie weniger Stimmen haben. Die FDP hat auch mal nen Bundespräsidenten gestellt, obwohl sie auch damals keine große Partei war.

    @Robin
    Ich glaube, es ist leichter sich als in sich geschlossene, verlässliche 10-12-Prozent-Partei als Gegenspieler von Koch zu profilieren als mit einer Partei, die weder so wirklich weiß, wer in ihr das Sagen hat, noch wo die Reise hingehen soll.

  4. monne

    Ich weiß ja grad nicht, ob das Absicht von dir war, aber der Kerl heißt Jörg-Uwe, nicht Kai-Uwe.

    Und Tarek for President find ich schon berechtigt. Der kann nicht nur reden (seit wann gilt GuteR RednerIn = GuteR PräsidentIn??), sondern hat auch fachlich tatsächlich was drauf. Trotzdem hat Tarek Recht, wenn er sich nicht zu sehr auf die Schiene einlässt. Zudem sind doch genügend Inhalte da, mit denen man sich vor allem von CDU und FDP abgrenzen kann. Und von der SPD nun ja, durch Kompetenz;-)

  5. Henning

    @monne
    Ups, hätte echt Absicht sein können mit Kai-Uwe – war’s aber nicht. Sorry, Jörg-Uwe.

    Äh, und natürlich gilt nicht nur toll reden können als Qualifikation für den Ministerpräsidenten-Posten. Aber es ist eben doch die Schlüsselqualifikation, denn wer nicht rüberbringen kann, was er will, der dringt einfach nicht durch. Dazu kommt natürlich noch das ganze Repräsentations-Gedöns. Aber wie du schon sagst, Ahnung hat er auch noch.

    Selbstverständlich hat er auch Recht, dass man da vorsichtig sein muss und es auf keinen Fall wie damals die FDP machen darf. Ich schreibe ja auch von einer Gratwanderung. Aber bisher gelingt die meiner Meinung nach ganz gut. Es gibt kein Gudiomobil, es gibt auch keine hoch gegriffene, fiktive Prozentzahl, die man erreichen will, wir tun auch nicht so als wären wir Volkspartei – stattdessen sagen wir, was wir inhaltlich wollen und dass wir übrigens nen Spitzenkandidaten haben, der das Ministerpräsidenten-Amt ausfüllen könnte.

    Genau richtig! Also, weiter so! Damit der dann bald endlich weg ist…

  6. Christian

    Die Favorisierung von Tarek als MP gegen Roland Koch würde doch aber Schwarz-Grün ausschließen. Bliebe also nur noch Rot-Grün (sehr, sehr unwahrscheinlich nach dem Ypsilanti-Debakel) oder nochmal ein dritter Anlauf in Richtung Rot-Rot-Grün. Ob man dass den Wählern allerdings wirklich zumuten sollte?

  7. Henning

    Im Bund regieren auch zwei Parteien, die 2005 jeweils eine/n Kanzlerkandidaten/-kandidatin aufgestellt hatten und dies auch jetzt wieder tun. Sowas schließt doch nichts aus. Du schreibst selbst favorisieren. Die CDU favorisiert Roland Koch, die SPD Thorsten Schäfer-Gümbel und wir Tarek Al-Wazir. Am Ende einigt man sich mit irgendjemandem auf irgendjemanden – und auf ein inhaltliches Programm. Auch da geht man mit unterschiedlichen Vorschlägen ins Rennen.

  8. monne

    Ich find nicht, dass dadurch schwarz-grün ausgeschlossen würde. Vielleicht sollte man das ausschließen, aber viel eher ist doch tatsächlich davon auszugehen, dass Roland Koch, ähnlich wie in Bayern, nach noch einer Wahlniederlage, gehen muss.

  9. Henning

    Sehr interessant ist die aktuelle Umfrage, die ich auch Maltes Getwitter zu verdanken habe: hr-Umfrage: SPD weiter im Sinkflug

    47 % der Hessen sind mit der Arbeit von Roland Koch zufrieden, 51 % nicht. An Platz zwei folgt Tarek Al-Wazir: 45 % Zufriedenheit und nur 25 % Unzufriedenheit.

    Von der SPD reden wir lieber mal nicht – sollte auch in deren Sinne sein.

    Das Duell Tarek vs. Koch ist also wohl gar nicht so weit hergeholt, wie manch einer denkt.

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