Sieg für Stuttgart 21 – und für die Demokratie!

Zu Stuttgart 21 wurde landespolitisch vom Volk nun das letzte Wort gesprochen: Das Land wird nicht aus der Finanzierungsvereinbarung aus dem Projekt aussteigen. Dafür stimmten nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 41,2 % der wählenden Baden-Württemberger, 58,8 % stimmten dagegen. Die Wahlbeteiligung lag bei 48,3 %.

Da die klare Mehrheit nun ohnehin gegen den Ausstieg war, spielte auch das undemokratische Quorum zum Glück keine Rolle. Das Ergebnis ist daher ohne jeden Zweifel zu akzeptieren (wäre das Ausstiegsgesetz nur am Quorum gescheitert – hätte also eine Mehrheit mit Ja gestimmt, die aber nicht gleichzeitig 33,3 % Prozent aller Wahlberechtigten umfasst hätte – wäre dies formal zwar genauso gewesen, aber politisch wäre es dann sehr schwierig geworden). Die 41,2 % Ja-Stimmen sind übrigens 19,8 % aller Wahlberechtigten.

Ich halte Stuttgart 21 für falsch. Verkehrspolitisch, finanziell, unter Umweltschutzaspekten – und auch unter Demokratiegesichtspunkten. Aber zur Demokratie gehört, dass die Ergebnisse bindend sind. Es kann höchstens eine höhere Instanz die einer anderen aufheben. Eine höhere Instanz als das Volk gibt es aber nicht. Auf Landesebene steht nun also fest, dass nicht nur die Mehrheit im Landtag das Projekt Stuttgart 21 unterstützt, sondern auch die Mehrheit der Baden-Württemberger.

Stuttgart 21 wird nun also gebaut. Es sei denn – ja, es kommt doch noch ein aber – der Kostendeckel von 4,526 Mrd. EUR wird gesprengt. Dann kommt es darauf an, ob die Bahn einen Finanzier dafür findet. Tut sie das nicht, muss sie das Projekt wohl abbrechen.

Die Landesregierung ist nun an das Votum der Landesbevölkerung gebunden. Die hat sich gegen einen Ausstieg des Landes aus S21 entschieden. So sehr mich das ärgert, so ist es nun.

Ich hatte ganz ehrlich nicht mit einem solchen Ergebnis gerechnet. Mein Optimismus stieg in den letzten Wochen und auch nochmal in den letzten Tagen deutlich an. Nicht zuletzt der total einseitige Brief* des Stuttgarter Oberbürgermeisters Wolfgang Schuster an alle Bürger brachte mich zu der Einschätzung. Die S21-Befürworter wirkten sehr nervös, fast schon panisch. Ähnlich war es vor der Landtagswahl als es hieß, statt Winfried Kretschmann würde nach der Wahl Cem Özdemir zum Ministerpräsidenten gewählt. Ich hab mich damals sehr über diese völlig erfundenen Behauptungen geärgert. Im Nachhinein konnte ich aber drüber lachen, denn das zeigte nur die Hilflosigkeit der CDU vor der Wahl. Geholfen hat es ihr ja letztlich nicht. Guter Stil ist es natürlich trotzdem nicht.

Apropos guter Stil. Den zeigten die im Landtag anwesenden S21-Befürworter nicht. Am Hauptbahnhof bei den Gegnern blieb dennoch alles friedlich. Allerdings störte mich da, dass man schon vor den ersten Ergebnissen per Mikro auf das Quorum schiss. Denn es wäre fatal gewesen, eine Mehrheit zu haben, aber das Quorum nicht zu erreichen. Dann wurden erste positive Ergebnisse der Volksabstimmung verlesen – und die negativen, die eigentlich auch schon feststanden verschwiegen. Erst als man merkte, dass es wohl gelaufen ist, kamen auch diese Ergebnisse durchs Mikro.

Sei’s drum. Wichtig ist, dass es nun friedlich bleibt, dass das Projekt weiterhin kritisch begleitet wird und dass vor allem auf die Kosten geschaut wird. Wenn Stuttgart 21 noch kippt, dann nur weil über 4,526 Mrd. EUR hinaus niemand bereit ist, es zu finanzieren. Über die rein politische Schiene wird das nun nicht mehr gehen. Das müssen nun auch alle S21-Gegner akzeptieren.

Nochmal: Stuttgart 21 ist heute Abend nicht besser oder richtiger geworden. Aber der Ausstieg wurde von der demokratisch höchsten Instanz abgelehnt. Damit ist er erledigt – solange das Projekt im Kostenrahmen bleibt.

Danke an alle, die an der Volksabstimmung teilgenommen haben – das gilt ganz ausdrücklich für beide Seiten. Sonst hätten wir kein so klares Ergebnis und das war wichtig. Danke übrigens auch an die Grünen, die ich heute vor den Kameras gesehen habe. Winfried Kretschmann, Boris Palmer und Winne Hermann haben genau die richtigen Worte gefunden.

Bei allem Ärger über das Ergebnis heute: Es ist ein guter Tag für die Demokratie. Das Volk hat entschieden und die Wahlbeteiligung war für eine Volksabstimmung sehr hoch.

* Schuster zählte darin Vor- und Nachteile auf: Vorteile eines Neins zum S21-Ausstieg und Nachteile eines Jas.

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Trixy Freude

    Du hast es schön zusammengefasst und ich stimme dir in Allem zu. Mit einem positiven Ergebnis im Land habe ich nicht gerechnet, aber von Stuttgart bin ich trotzdem enttäuscht. Auch ich halte das Projekt weiter für falsch, aber wir haben vorher gesagt: Wir werden ja sehen, ob alle so denken. Sie tun es nicht, dann muss man mitziehen. Ich denke, das trotzdem insgesamt sehr viel erreicht wurde. Der Volksentscheid ist ein positives Signal, wie man sieht sind ja auch jene zur Abstimmung gegangen, die sich nie geäußert haben, aber offenbar halt doch eine Meinung hatten. Das ist wichtig.

  2. Henning

    Ja, dass es in Stuttgart so ausging, hat mich besonders überrascht. Aber sehen wir’s positiv: Die Mehrheit im Land ist die gleiche wie in Stuttgart. Das dürfte zur Befriedung beitragen.

  3. jw_fr

    weise gesprochen Henning, ich möchte nur einen kleinen Punkt ergänzen. Ich hab mich gestern auch sehr über das unversöhnliche Rumgebrülle der S21-Befürworter im Landtagsfoyer geärgert, aber mal ehrlich: Die ersten die „Lügenpack“ geschrieben haben, waren andere und auf der letztjährigen BDK hat es mich befremdet, gestandene, langjährige Grünen-Politiker bei so einem Mist mitmachen zu sehen.

    Persönlich hab ich die ersten Ergebnisse erst gegen 19 Uhr mitbekommen, weil ich davor auszählen war. In meinem Wahllokal hatten 80 % für den Ausstieg gestimmt, und natürlich – wie in Freiburg üblich – schon relativ grün, aber es gibt noch deutlich grünere. Naja ich dachte jedenfalls, wow 80 % hier, dann muss es doch im Land gereicht haben … naja.

  4. Hubert

    Hi Henning,

    Du weisst ja, dass ich für und zu S21 stehe, gerne auch noch arrogant ein paar EUR mehr in den Raum werfe, weil ich auch überzeugt bin, dass bei KEINEM Großbauprojekt der Kostenrahmen eingehalten wird – und für mehr Sicherheit ist das für mich ok… das is der Punkt wo auch nochmal etwas in Projekt fliessen darf…

    Aber einen Punkt muss ich noch loswerden: Das Quorum sollte schon gesenkt werden – ihr habt dagegen gestimmt. Weil es euch „nicht weit genug“ ging. Sorry – aber das war dämlich. Nicht wegen #s21 – sondern wegen dem grundsätzlichen Gedanken, dass wenn man eine Senkung will, erst Mal für jede stimmt. Und dann die weitere Absenkung betreibt…

    Oder? 😉

  5. Henning

    Japp, das war dumm.

  6. PA

    Warum durfte Baden-Württemberg nicht direkt darüber abstimmen, ob Stuttgart 21 gebaut werden soll oder nicht?
    Antwort: weil es ein Bundesprojekt ist, über das ein Land nicht abstimmen darf. Darum wurde bei der Volksabtimmung auch lediglich über den Finanzierungsanteil des Landes abgestimmt.
    Allerdings darf sich ein Land auch nicht an der Finanzierung von Bundesprojekten beteiligen. Die Verfassung schreibt dies fest, um zu verhindern, dass sich ein Land Bundesmittel „erkaufen“ kann. Über die Volksabstimmung wurden die Wähler somit aufgerufen zu entscheiden, ob ein Verfassungsbruch begangen werden soll oder nicht. Leider hat ihnen das niemand vorher verraten.
    Und nun haben sie sich mehrheitlich für einen Verfassungsbruch entschieden. So gesehen war diese Volksabstimmung kein Schritt in Richtung mehr Demokratie, sondern ein Schritt in Richtung Bananenrepublik.

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